Volltext: Die Malerei der Renaissance (Bd. 2)

B1üt11ezeit der 
ita1ienifchen Malerei. 
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8J Cgr.J Die Sündfluth. Das Hauptgewicht liegt natürlich auch hier auf den 
Gruppen und Geberden der unbek1eideten Gestalten, welche vergebens den 
Wasserwogen zu entrinnen suchen; aber auch der verzweifelte Ausdruck ihrer 
Gesichter spiegelt die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage lebendig wieder sHFig. 344J. 
9J skl.J Noah,s Trunkenheit. :sEs lässt sich nicht aussprechen, sagt Vasari, wie 
gut die Geschichte dargestellt ist.ci Es darf übrigens nicht übersehen werden,  
dass die drei letzten Bilder iigurenreicher als die übrigen sind und daher 
kleinere Figuren zeigen. Michelangelo hat sie Zuerst gemalt und entdeckte 
erst nach ihrer Vollendung, dass er einen zu kleinen Massstab für die Wirkung 
von unten angenommen hatte. 
Als eigentliche Historien schliessen sich an die neun Deckenbilder noch ZIFzcIjZlfs 
die Darstellungen in den vier grossen Eckzwickeln an: 1J Die Schlangenplage 
und die Erhöhung der ehernen Schlange zu ihrer Abwehr; 2J Die Kreuzigung 
Haman7s; 3J Judith übergiebt ihrer Magd das Haupt des Holosernes; 4J David 
schlägt dem Riesen Goliath das Haupt ab. Wohl nie vorher war es einem 
Künstler gelungen, lange Geschichten ausZugsweise so handgreitlich mit wenigen 
Figuren und so natürlich in ungünstigem Raume darzustellen; und während in 
den oberen Deckentheilen das Nackte den Gesammteindruck bel1errscht, tritt 
hier, wie in den übrigen abwärts gewölbten Theilen, das Gewand in seine 
malerischen Rechte. Die grossartigsten Gewands1guren sind die zwölf Riesens DTses;JH1.ss 
gestalten der Propheten und Sibyllen, welche sje eine an den Schmalseiten, je SYDH1svs 
fünf an den LangseitenJ in den Dreieckfeldern zwischen den Stichkappen auf 
jenen mächtigen gemalten Marmorsesseln thronen, deren Lehnen das ganze 
Deckengerüst zu tragen scheinen; ja, diese Propheten Jonas,Jeremias, Ezechiel, 
Joel, Zacharias, Jesajas und Daniel und diese persische, erythräische sFig. 34IJ, 
delphische, cumäische und libysche Sibyllen sind überhaupt die gewaltigsten 
Einzelgestalten, welche die Kunstgeschichte kennt: übermenschlich mächtige 
Gestalten, vom grossartigsten Faltenwurf herrlicher Gewänder umflossen, von 
nackten Kindergestalten belauscht und begleitet oder in der Handhabung ihrer 
Bücher und Schriftrollen unterstützt; jugendliche und greife Gestalten, die einen 
in tiesstes Nachdenken versunken, die anderen lebendig nach aussen gewandt, 
alle von tiefster innerer Erregung in ihren Bewegungen beeinHusst; die Geister,  
welche, der Gegenwart entfremdet, in der Zukunft leben, in Leibern verkörpert, 
welche keiner Gegenwart angehören könnten; und wenn einzelne dieser Ges 
stalten, wie die libysche Sibylle, der Prophet Daniel und der Jonas, den C0ns 
divi wegen seiner kühnen Verkürzung in der gewölbten Fläche vden wunders 
barsten von allem: nennt, die Grenze ungeZwungener und schöner Beweglichs 
keit schon überschreiten, so halten die meisten von ihnen bei aller Majestät 
ihrer Formen und bei aller Erregtheit ihrer Bewegungen doch noch das Mass 
harmonischer Schönheit inne. Wie sie an den geeignetsten Stellen des Ges 
sammtraumes als dekorative Figuren ihre Schuldigkeit thun und zugleich mit 
göttlicher Erhabenheit der Idee des ganzen Bilderkreises sich geistig einreihen, 
das hat die Bedeutung der genialsten Lösung eines der schwersten kiinstleris 
schen Probleme.   
Die züchtig bekleideten Gruppen in den Schildbögen und den Stichs 1IfiashrI::rs 
kappen über den Fresken endlich stellen den Stammbaum Christi in schlichten Christi. 
alttestamentarischen Familienscenen dar, die an liebenswürdiger Innigkeit der
	        
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