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Vjertes Buch.
Abthei11mg.
gezeichneten erften flüchtigen Entwurf in der Albertina zu Wien und eine
Reihe von Röthels, Kreides und Federftudien in verschiedenen Sammlungen.1J
Dargestellt war, wie Thauf1ng nachgewiefen hat, eine Epifode aus der Schlacht
bei.Cascina, welche am 28. Juli I364 zwischen Florentinern und Pifanern ges
fch1agen wurde. Die florentinifchen Soldaten fuchten Kühlung in den VVe1len
des Arno, als sie plötzlich von den Pifanern überfallen wurden. Schnell fuhren
f1e in ihre Kleider und fchlugen den Angriff f1egreich zurück. Also felbst wo
es lich um die Darstellung eines Gefchichtsbildes handelte, fuchte Michels
ange1o f1ch mit rafHnirter Ueberlegung eine Epifode aus, welcher die übers
,J;fsjFn;u rafchenden Bewegungsmotive nackter Männer ihren Charakter verliehen. So
dEI7CeHMs frei und fo grofs hatte aber noch niemals ein Maler die menfchlichen Formen
gefehen, f0 kühn und fo richtig noch keiner ihre Bewegungen wiedergegeben;
und die erhaltenen Studien beweifen, dafs der Meister damals noch nach dem
lebenden Modelle zeichnete.
Fels Die zweite Aufgabe, welche Michelangelo auf dem Felde der Monumentals
1s;1;Jjje: malerei gestellt wurde, war die Bemalung der Decke der fixtinifcl1en
Kapelle, deren VVände bereits unter ihrem Erbauer, Sixtus IV., von den bes
deutendsten älteren umbrifchen und toskanifchen Malern mit Fresken ges
D2.k222x. fchrnückt worden waren. Scl1on I5o6 hatte Julius II. ihm den Auftrag ertheilt;
aber erst I508 ging er widerwillig an die Arbeit; im Herbste I5I0 waren die
eigentlichen Deckenbi1der, im Herbste I5I2 auch die Figuren und Scenen an
den abwärts gewölbten Theilen vollendet;2J und als das Ganze enthüllt war,
zweifelte niemand daran, dafs es die gewaltigste Schöpfung fei, welche jemals
mit Farbe und Pinfel zu Stande gebracht worden.
WZ7sJmCJ;;d. Die Decke CFig. 340J besteht aus einem fog. Spiegelgewölbe, deffen befons
nu1sg. ders umrahmtes Mittelstück als Fläche wirkt, während an allen vier Seiten
fcharfe Rundungcn den Uebergang zu den fenkrechten VVänden bilden. In
die gewölbten Theile ragen an den I.angfeiten die Rundfenfter hinein, über
denen erit Schildbögen, dann Stichkappen entstehen, während die Gewölbes
stücke zwifchen den letzteren und an den vier Ecken der Kapelle die Gestalt
von mächtigen fphärifchen Dreiecken CZwickelnJ annehmen. Da der Baumeister
diefe ganze Decke kahl und fchmucklos gelaffen hatte, war es Michelangelo7s
erste Sorge, f1e durch eine gr0fsartig gedachte gemalte Scheinarchitektur zu
gliedern. Die Grundlage des Gerüstes derfelben bilden die mächtigen Steins
throne der Propheten und Sibyllen in jenen gewölbten Dreiecken der I.angs
feiten. Ihre Seitenlehnen gestalten lich zu zierlich mit jugendlichen Atlantens
paaren gefchmückten Pilaftern, deren verkröpfte Gebälke in dem grofsen
Gef1mfe liegen, welches den flachen Spiege1umrahmt. Die Quergurte, welche
diefen letzteren in neun Hauptfelder, nämlich vier gröfsere, feine ganze Breite
ausfüllende, und fünf kleinere, von gemalten Bronzemedaillons slankirte, eins
theilen, bilden zugleich die Verbindung der einander gegenüber gestellten