B1üthezeit der
Malerei
Raphael, Correggi0 und Tizian zu den Meiftern allererflen Range5 ftellt. Das
verdient er nun freilich nicht. Dazu ift er, wenn feine Geftalten hier und da
auch einmal eine reine, ftil1e, fast raphae1ifche Schönheit athmen, in der Regel
zu derb und hart in den Formen, zu fchwer und bunt in den Farben, zu
unruhig und überfällt in den K0mpof1tionen; aber zu den tiichtigPcen MeiPcern
zweiten Ranges gehört er unzweifelhaft. Er ift produktiv, erfindungsreich,
feurig, voll dramatifchen Lebens; ihm fehlt eben nur das innere Gleichgewicht;
gerade wo er ideal und fchlicht fein will, Hören nur allzuoft iibelangebrachte
realiPcifche oder baroclce Einzelziige.
Gaudenzio Ferrari1J iit etwa I48I Zu Valduggia in den piemontef1fchen uF1JI1seIHsb;H.
Alpen geboren. Ueber feinen Bildungsgang waren lange die unbegriindetften s1Wgsgsssg.
Gerüchte verbreitet. Er fo1lte zuerst durch Girolamo Giovenone Toben S. 342J
gebildet worden fein, dann nach einander in den VVerl;Pcätten von Leonardo,
Perugino und Raphael gearbeitet haben. Davon iPc nur richtig, dafS er feinen
erften Unterricht allerdings in der Schule von Vercelli, der aufser Gir. Gios
venone und Macrino d7Alba damals auch fch0n fein NamenSvetter Defendente
Ferrari angehörte, genoffen hat, dann in der That, wahrfcheinlich durch Luini,
in die KunPcfphäre Leonardo7s eingeführt worden ift, endlich auch raphaelifche
Eindrücke in f1ch aufgenommen hat. Diefe letzteren waren jedoch recht all.
gemeiner Art und wohl nur durch die Stiche vermittelt. Seine angebliche
perfönliche Freundfchaft mit Raphael hat f1ch als Fabel herausgeftellt. Er
hat 0beritalien wahrfchein1ich nie verlaffen.2J Nachdem er feine Lehrzeit in
Mailand beendet, fchmückte er verfcl1iedene piemontefifche und lombardifche
Städte mit Freslcen, hatte feinen VVohnf1tz lange Jahre in Varall0,3J f1edelte
fpäteftens 1528 nach Vercelli über und war erft feit 1536 Coder fpäterJ wieder
in Mailand anfaff1g, wo er zwifchen I545 und I547 fIarb.4J
Gaudenzio7s fchönfte F.resken in Varallo befinden lich in der Kirche S. ssI1IY:nF;1sss
Maria de11e grazie. Die früheften derfelben, die reinen, liebenswürdigen, uns Viirs1lo.
fc11uldfeligen DarPce1lungen der Befchneidung und des Jefusknaben im Tempel
fleht man in einer Kapelle diefer Kirche; die reifften aber fchmüclcen ihren
Chor und fiellen Paff1onsfcenen dar, von denen die grosse Kreuzigung C15I3J
zu den herrlichsten Schöpfungen des Cinquecento gehört. Eh
Unter feinen zahlreichen Fresken in Vercelli zeigen diejenigen der Kirche Ssi1::e F,ress
S. Crist0foro einen befonders grofsartigen Wurf; die Himmels VeektÄelY5.
fahrt Maria z. B. gehört zu feinen Hauptwerlcen. Von Vercelli aus unternahm
er den Abftecl1.er nach Sar0nno, um dort in der Kuppel über den Meifters
Werken Luini7s fein Jubel athmendes, von Kraft und Leben ftrotzendes Engels
lconzert zu malen. Endlich fchmückte er auch verfchiedene mailändifche1J3D;1I;k1;j;
Kirchen mit Wandgemä1den. Eine Anzahl derfelben befindet f1ch jetzt in der 1s11ds
O Da feine Mutter der Familie Vinci oder Vinc:i0 angehörte, so zeichnet er auf früheren Bildern
auch wohl 22Gaudentius Vinciussc.
2J Man vgl. Ce7ZMzäo a. a. O. F. 90gIl3 mit Lermolieff a. a. O. S. 480s484. Der letztere
erkennt aufser Luini75 auch eine Einwirkung Bramantin07s auf Fer,rari.
3J Daher wird er 1508 und 1509 auch 22Ga11dentius de Varalicc genannt. coJMzäi2, a. a. O. p. 4I.
4J Ueber fein Geb11rtsjahr CoZw;z5x; p. 4 u. 252, i.ib. fein Todesjahr ebenda.p. 250ss25I.
5J Die Handzeicl1nnng zu ihr, nach unter dem Namen Giorgione in den Uffczien zu
Florenz.