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Viertes Buch.
Abt11ei1ung.
gefchaffen, die bei aller ihrer, zum Theil durch das Eingreifen von Schülers
händen erklärbaren Ungleichheit in der Durchführung, bei aller Ungebundens
heit ihrer Komposition, bei allem Mangel an dramatischer Präcif1rung des dars
gestellten Momentes doch in allen Phafen feiner Entwicklung f0 viel echtes,
besonders aus den jugendlichen Charakteren wiederstrahlendes Schönheitsges
fühl, fo viel Liebenswürdigkeit in der Darstellung genrehaftsidyllifcher Situas
tionen, so viel Seele in der Wiedergabe milder, lyrifcher Stimmungen zeigen,
dafs wir Luini als den erfolgreichsten Praktiker auf dem von Leonardo theores
tifch bereiteten Boden bezeichnen müffen.
SsEIH;as;HPEN Luini7s Wandgemälde geben uns einen einigermafsen genügenden Uebers
sFF,1;1ekj1rCc1,sbI,;; blick über feine Entwicklung. Zu den charakteristifchen Werken feiner FrLihs
LUT110. Zeit gehören, abgesehen von der nicht unbezweifelten und arg befchädigten
Darstellung der Anbetung der Könige in der Kirche san Pietro bei Luin0,1J
die Gemälde aus dem alten Teftamente, der heiligen Legende und der antiken
F;JuEZJhkj Myth0logie, welche er im Haufe la Pelucca bei Monza gemalt hatte. Von den
Wänden gelöst, sind sie theils in die Brera, theils in7s archäologifche Museum,
k;k2 in der theils in9s königliche Schlofs zu Mailand gekommen; nur eins der Fragmente
1xfFiiTk1iiI CVulkan dem Amor Waffen fchmiedendJ befindet sich im Louvre zu Paris.
Das berühmteste und fchönste Bild diefer Folge gehört der Brera und stellt
den von Engeln getragenen entfeelten Körper der hl. Katharina dar sFig. 335J.
Es ist eine harmonifch abgewogene Komposition, die nur noch leicht an die
Härten der alten Mailänder Schule erinnert, eine felbständige Schöpfung, die
unsere Seele wie ein Akkord voll fijfser Herbigkeit ergreift. Auch die in
ihrem grauen Ton an B0rgognone erinnernden Fresken aus dem Monastero
del1e Vetere und die Freskomadonna aus S. Michele alla Chiufa in der Brera
gehören der Jugendzeit des Meisters an.
Leonardo7s EinAufs fpiegelt f1cl1 in den fechs Fresken wieder, welche 1867
aus dem Haufe Litta in Mailand in den Besitz des I.ouvre zu Paris übergingen.
Doch zeigen nur zwei von ihnen, welche die Geburt des Heilandes und die
Anbetung der Könige darstellen, die eigenhändige Kraft des Meisters. Die
s3:1fäFresken aus der Kirche S. Maria della Pace in der Brera und im archäologis
schen Museum, welche Scenen aus dem Leben Jofephs und Maria7s fchildern
und bisher als die bedeutendsten unter Leonardo7s Einwirkung entstandenen
Fresken Luini7s galten, werden dagegen neuerdings mit Entfchiedenheit für
Gaudenzio Ferrari in Anfpruch genommen. II
Nach 1520 erreichte der Meister, ohne dafs die Spuren der Schule Leos
s:IJ;JZJ,Is nardo7s f1ch in feinen Werken ganz verlören, die Höhe feiner selbständigen
Kraft, wie fie sich in dem I52I begonnenen, 1522 vollendeten 3J grofsartigen
Freskobilde der Geifselung Christi im Kapitelfaal von S. Spino in der Ams
Mailands br0siana zu Mailand und in der ebenfalls I52I al fresco gemalten, aber in der
In dssBIMsBrera ausgestellten thronenden Madonna zwifchen der hl. Barbara und dem
hl. Antonius ausfpricht. Der guitarrefpielende Engel auf diesem Bilde ist von
He im
II Ich fah
keine Rede.
Herbfk
188I
und bezweife1te
je nicht.
TYpen
Von 1e011ardeske11
hier noch
Eine Dis1cuff1on diefer Frage bleibt abzuwarten.
im Ziiricher Neujahrsblatt 1880, S. 9.