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Viertes Buch.
Abthei1u11g.
DlY:nrFH1e;k. MindePcens 14 glückliche Jahre alfo hat der wegen feiner Schönheit, feiner
KörperPcärke, feiner gefelligen Talente allgemein gefeierte Künfiler als Factos
tum und Liebling Ludovico il Mor07s in Mailand verlebt. Einen grofsen Theil
diefer Jahre Verwandte er auf die Herstellung jenes plaftifchen Reiterdenkmals,
deffen tragifches Schickfal uns hier nicht weiter befchäfti0en kann. Einen
grofsen Theil feiner Zeit nahm auch feine Thätigkeit als Ardchitekt und Inges
LM1tJe.sk;M nieur CMartefanasKana1J in Anfpruch. Einen grofsen Theil feiner Arbeitskraft
endlich opferte er feiner wiffenfchaftlichen Thätigkeit. Leonardo war die Seele
Die der iiAkademiea, welche I.udovico gegründet hatte; O und in feiner VVerkftatt
Akademm. verfammelten f1ch hier die Schüler um ihn, für deren Bedürfnifs er wal1rfcheins
lich feinen Trattato della Pittura Zu Papier brachte. Bei alledem ist diefe erPce
Gs;j2lede Mailänder Zeit Leonardo7s zugleich die Blüthezeit feiner malerifchen Thätigs
Fdierek keit; wir wollen zunächfi feiner Bildniffe, dann feiner religiöfen DarPcellungen
1FiIi.ZZiiF;. aus diefer Periode feines Schaffens gedenken.
1ii2ums2sg2. Im Refektorium neben der Kirche Sa. Maria delle Grazie malte Leonardo
FYFFznsE,n an der feinem Abendmahle gegenüber gelegenen Schma1wand, unter der Kreus
zigung M0ntorfan07s Toben S. 340J, den Herzog Ludovico felbPc, deffen Gemahlin
GEJnIlFjJsJV Beatrice d7Efte und ihre beiden Sohne; göttlich gemacht nennt Vafari f1e. Es
dZHaCWies find jedoch nur fo wenig Spuren von ihnen erhalten, dafs f1e für die künlIs
lerifche Beurteilung verloren find. Von den beiden fchönen Bildniffen der ams
br0f1anifchen Sammlung, in denen man früher Ludovico und feine Gemahlin,
Die sxh21x2. dann Gian Ga1eazzo und feine Gemahlin von Leonardo7s Hand erkannte,
neni,F1iicYIM: ftellt das aufserordentlich reizvoll durchgeführte weibliche Prof1lköpfchen mit
2Fm1I;T1TT.1ZF dem reichen Perlengefchmeide nach der Anficht eines Kenners 2J Bianca
Maria Sforza als Braut Kaifer Maximilian7s dar und wäre nicht von Leo.
nardo, fondern von Ambrofius de Predis gemalt; das lebensgrofse männs
liche Brufibild hingegen ifi unzweifelhaft ein Werk Leonardo7s. Der fcl1warze
Rock, die blonden Haare, das rothe Barett geben einen hübfchen Farbens
akkord. Die Modellirung ift aufserordentlich fein gewefen, jetzt aber leider
Dji2:j:eigx;irre verwafchen. Ferner erfahren wir, dafs Leonardo zwei Geliebte Ludovico7s,
in. Cecilia Gal1erani und Lucrezia Crivelli, gemalt hat. Das Bildnifs der ersteren
IHITZTfifI iPc verfchollen, dasjenige der letzteren hat man in dem fch6nen Frauenbrufts
Eis p13zi2112 bilde des Louvre LN0. 46IJ wieder erkennen wollen, welches unter dem
ikkirIJiIJFT. Namen vI.a belle Feronnierea gestochen ifl. Dafs es Lucrezia Crivelli darftelle,
ifi ebenfo unerwiefen wie das Gegentheil; aber ein meifterhaftes Portrait iPc
es. Das edle 0val des Kopfes, der fchöne Hals, die abf1chtliche Zurückhaltung
im feurigen und doch finnigen Auge vereinigen lich mit der Pracht des Purs
purkleides und der raftinirten Einfachheit des Schmuckes Zu einer Zugleich
U Es haben lich Kupferftiche mit der Auffc:hrift ACADEMIA LEONARDI VINCl erhalten:
PczJcz7icmx, Peintre Graveur V, p. 18o, p. 181..183. Die Frage, ob Le0narc10 felblk in Kupfer ges
lkocl1en, Mr noch nicht entschieden. Man vergleiche zu PaffavantIs Bemerkungen den Auffatz von
GimZsmm a77lsJ:Zx1 in der Gaz. des BeauxsArts, Jahrgang I868. Dafelbil: p. I4I die Reproduktion des
geil;ochenen Prof1lk0pfes einer jungen Frau im Britifh Museum.
2J Lermolieff, a. a. O. S. 456. Der Verfaffer hat seit Ler1n0liefPs Behauptung nur das bezeicl1s
nete, trockene Bild des Ambroiius de PrediS in der Ambrafer Sammlung zu Wien wiedergefel1en; aber
das Mailäncler Bildchen lebt fo viel feiner in feiner Erinnerung, dafs er lich nicht entfchliefsen kann,
Lermoliekf zuzufiitnmen.