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Wertes Buch.
Abtheilung.
sich jetzt nicht nur ganz auf eigene Füsse und machten die Natur Ohre itas
lienische NaturJ zur Grundlage ihrer nationalen Kunst, wie die griechischen
Bildhauer die Natur Cihre griechische NaturJ zum Vorbilde genommen hatten,
sondern es ging hier auch die eingehendste wissenschaftliche Erörterung der
Gesetzmässigkeit richtiger mit Pinsel und Farben geschaffener Flächendarstelluns
gen CPerspektive, Anatomie, Lehre vom Licht und Schatten; Hand in Hand
mit jenem den Völkern des sijdens angeborenen schönheitsgefühl, welches
instinktiv Formen und Farben schuf, die von der späteren Aesthetik als Grunds
lage ihrer Erfahrungssätze anerkannt wurden. Und nicht vereinzelt entstanden
s2.1kigksi:d2k1n Italien die höchsten Meisterwerke der Malerei; sie entsprossen an den vers
Gemä1dei schiedensten Orten zugleich dem heimischen Boden in einer Fülle und Mannichs
iciik22 dFk faltigkeit, die um so ftaunenswerther ist, je kürzer der Zeitraum war, der das
BMhezMi wirklich Vollendete entstehen sah; denn wenn auch einige der grossen italienis
schen Meister bis in7s letzte Drittel des Jahrhunderts lebten, so rissen doch
gerade in Italien Konvention und Manier auf der Grundlage des Geschafsenen
im allgemeinen schon nach den ersten Jahrzehnten der neuen Aera ein.
v22kr.;i1iecie:1. In keinem Lande wurden in jenen Tagen aber auch so viele grosse Meister
l1e1t der
Rici1kkmgek2. geboren, welche die Welt mit ihren eigenen Augen ansahen und in ihrer
eigenen Weise wiedergaben, wie in Italien; und in keinem anderen Lande
gingen daher auch so viele von einander grundverschiedene, aber einander ebens
bürtige Richtungen selbständig neben einander her. I,eonardo da Vinci, Andrea
del Sarto und Giorgione, Michelangelo und Tizian,Raphael und Correggio,sgrös
ssere Gegensätze kann es kaum geben. Jeder von ihnen wahrte seine subjektivis
tät; und jeder von ihnen hatte eine Subjektivität zu wahren, welche in tausend
und abertausend empsänglichen Gemüthern sich begeisteisnd wiederspiegelte.
Freilich hätte die italienische Kunst ihre schwingen so frei nicht entfalten
können, wenn ihr das Bedürfniss Italiens nach kiinstlerischem schmucke nicht
GmrWi entgegen gekommen wäre. Einen wie grossen Antheil neben aufrichtiger
Kunstliebe auch äussere Prunksucht, sinnliche VVeltfreudigkeit oder partikularis
stische Rivalität an der Förderung der Künste durch die italienischen Grossen
gehabt haben mögen, jedenfalls bleibt es eine Thatsache, dass der Malerei
nur selten in Einem Lande in kurzer Zeit so viele grosse Aufgaben gestellt
worden,wie damals in Italien. Die Herrscher der Monarchien und der Republiken,
die weltlichen und geistlichen Füriten, die reichen Korporationen und Privats
Dis Medici. leute wetteiferten miteinander in der Bestellung von Kunstwerken. Die Medici
iFi2Tr.iiTiui2,F. in Florenz, von denen die ganze Epoche des fünfzehnten und des sechs
MaHMd. zehnten Jahrhunderts ihren Beinamen empfing, waren doch nur einige von
vielen kunstliebenden italienischen Fürsten. Florenz aber blieb auch während
der ,Verbannung der Medici zu Anfang des 16. Jahrhunderts, neben Venedig
und Mailand, die Hauptstätte künstlerischer Entwicklung; die Hauptstadt
Rom. künstlerischer Unternehmungen aber wurde Rom. VVas Papste, wie Nikos
sDie Pspik2.1aus der V und sixtus IV, hier begonnen hatten, das setzten Päpste, wie Jus
lius II, der Rovere, und Leo X, der Medici, in glänzendster VVeise fort. Da
jedoch die grossen Meister jetzt wiederholt ihren VVohnsitz wechselten und ihr
v2kwirci1uk2g Einfluss sich durch ganz Italien verbreitete, so g1iedert die Geschichte der itas
idJk,FkTIEJ,a. lienischen Malerei dieser Zeit sich weniger nach geographischen Mittelpunkten
JsTIfZI;, als nach den geistigen Mitte1punkten, welche die Hauptmeister bildeten.