ABTHEILUNG.
DIE
BLUTHEZEIT
DER
ITALIENlSCHEN
MALEREl.
V0rbemerkungen.
lles was oben IS. 130s136J über die Kultur der italienischen Renaifsance Y0s7üg9 de,
gesagt worden, gilt im höchsten Masse für die ersten Jahrzehnte des UIiZf;IJsFU
I6. Jahrhunderts; und alles was oben IS. 365ss367J über den Aufschwung
der Malerei zu neuer Freiheit, Grösse und Schönheit in diesen Jahrzehnten bei
merkt worden, bezieht sich, wie dort bereits angedeutet, hauptfächlich auf die
italienische Malerei. O Früher und heller, als in allen anderen Ländern ging in
Italien die Sonne des goldenen Zeitalters auf; vollkommener, als in der nordis
schen, deckten in der italienischen Kunst dieser Zeit sich Form und Inhalt, inniger
verschmolzen f1ch VVahrheit und Schönheit, fruchtbarer ergänzten sich Theorie und
Praxis. Jene höchste Schönheit, welche die Götter fast zwei Jahrtausende früher
den alten Griechen geoffenbart hatten, wurde erst jetzt in Italien zum zweiten
Male geboren; und waren damals die Bildhauer die begnadigten gewesen, so
waren es jetzt die Maler. Die Malerei erlangte jetzt hier überhaupt zum ersten
Male den Vollbef1tz ihrer Kräfte; f1e nahm jetzt hier zum ersten Male mit
Entschiedenheit den Vortritt unter den Künsten. Selbstverständlich wollen
wir die in jenen Tagen mit noch halbfcholastischer Befangenheit erörterte Streits
frage, welche Kunst höher itehe, die Bildhauerei oder die Malerei, nicht wieder Ihk.vekhi,i1k.
aufrühren. Im allgemeinen ist sie nicht zu entfcheiden. XxVir meinen nur, dass
gerade damals und gerade in Italien die Malerei sich an die Spitze der Künste
itellte. Die Bildhauer gingen zwar in anerkennenswerther Weise, trotz des
mächtigen Eindrucks, den die neuentdeckten Antiken, wie der Apoll von Bels
vedere und der Laokon, auf sie machten, ihre eigenen Wege; aber die Zahl
ihrer Meisterwerke, welche zwischen alterthümlicher sprödigkeit und fubjektis
ver Willkür in der Mitte stehen und ein volles Verständnifs der natürlichen
Gesetze der Plastik zeigen, ist doch nur eine kleine. Die Maler dagegen stellten
II Die allgemeine Literatur iPc bereits Bd. I, S. 412 angeführt worden. Von z1J77cmHM.v Ausgabe
des IJi7J2zJsi find nunmehr sechs Bänder erschienen. Von L2MlIe7.v Gefchichte der ital. Malerei kommt für
diese Abthei1ung der I1. Bd., von EmsxJeJ1rz7sxJzcs Cicerone die vierte, von M. Ewig bef0rgte AuHage
C1879J in Betracht.