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Viertes Buch.
Abthei1u11g.
Eriker Abschnitt.
zutraute und Holbein7s 0riginalzeichnung, welche jetzt neben dem ausgeführten
Oelbild hängt, nicht kannte, Leonardo da Vinci zuschreiben zu müssen vermeinte.
Ganz von vorn gesehen, in halber Figur, auf das reichste gekleidet, steht der
schöne, selbstbewusste Mann vor uns. Das Rothgold des schon vom ersten
Herbstreif gestreiften Vollbartes, die warme Fleischfarbe der nackten Theile und
der schwarze Atlas der Kleidung bilden mit dem tiefen Grün des Vorl1anges
im Hintergrunde eine ernste, wunderbar schöne Farbenharm0nie CFig. 3oIJ. Ends
lich müssen wir noch des berühmten, köstlichen Doppelbildnisses gedenken,
welches, neben dem Erasmus, den höchsten Ruhm der Sammlung des Earl of
i22 L021gr0kd Radnor zu Longford Castle bei Salisbury bildet. Zwei Gelehrte, der berühmte
TM. Sir Thomas WVyat und ein anderer, früher irrthümlich vdie beiden Gesandtenci
genannt, stehen lebensgross vor dem Hintergrunde eines grünen VorhangeS an
dem mit einem orientalischen Teppich bedeckten, mit astronomischen Geräthen
besetzten Tische. Das Bild ist schon I533 gemalt; es ist warm im Tone,
Unübertrefflich in der stofflichen Behandlung alles Einzelnen und in der echt
malerischen Gesammthaltung.
Ho1heik.ss Diese späteren Bildnisse zeigen einen Einfluss der Pinfelführung des grossen
Ma1Wse. Antwerpener Meisters Q. Massys, dessen Werke Holbein bei seinen wiederholten
Durchreisen durch die Niederlande kennen gelernt hatte. Doch darf man diesen
Einfluss nicht zu sehr betonen. Im Grunde hat Holbein7s Ma1weise sich im
Laufe der Jahre doch weniger verändert, als diejenige manches anderen Meis
stets. Stets ist ihm die schärfste Begrenzung der Umrisse, die klarste und
plastischste Modellirung, die hellste Durchsichtigkeit der Schatten eigen geblies
ben. Stets hat er auch, im Gegensatz zu den gleichzeitigen Niederländern,
daran festgehalten, das Gold nicht durch gelbe Farbe, sondern durch wirkliches
Blattgold darzustellen. Zugenommen aber hat mit den Jahren die Breite feiner
Auffassung und feine koloristische, von Anfang an in Farben empfundene Vors
tragsweise. 1n dieser Beziehung hat keinEdeutscher Meister ihn jemals erreicht.
H01i;2ik.ss Mehrere Male unternahm Holbein Reisen im Dienste des Königs. Einen
READ grossen Theil des inneren Lebens dieses Monarchen nahmen bekanntlich seine
immer neuen Ehen und immer neuen Ehepläne in Anspruch. Zweimal wurde
Holbein nach dem Kontinente geschickt, um Prinzessinnen, an die der König
13iks,,;k; ask dachte, zu malen: I538 malte er snach einer in dreistündiger Sitzung in Brüssel
HxF1TjYF,IE,V. genommener SkizzeJ die verwittwete Herzogin von Mailand, Christine von Dänes
mark. Das Gemälde besindet sich im Arundel Castle in England. Da aber
die Heirath nicht zu Stande kam, musste Holbein im folgenden Jahre in Deutsch.
g;1d,.jrs land die Prinzess1n Anna von Cleve malen, die der König dann auch heirathete,
AmFIT.,;W um sich bald darauf von ihr scheiden zu lassen. Das Bild hängt im Louvre
im L0Me. zu Paris.
H0H,ez,,s5. Auch in Basel, bei den Seinigen, war Holbein im Jahre I538 noch einmal.
ÄJE.FZjf,I,z, Vergebens versuchte der Baseler Rath, den berühmten Meister seiner Adoptivs
jYüZZIJ;, Vaterstadt zu erhalten. Seine Stellung in England war zu glänzend. Er kehrte
nach London zurück. Im Jahre I542 malte er hier den jungen Mann mit dem
Falken auf der Hand, dessen Bildniss zu den Zierden der Haager Sammlung
gehört. Im Jahre I543 schuf er noch einmal sein eigenes Bildniss. Den
Entwurf dazu bewahrt die Ufsiziensammlung in Florenz. Das ausgeführte Minias
turorigina1 scheint aber nur in Kopien erhalten zu sein und ist ausserdem