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Viertes Buch.
Äbtheilung.
Erster
Abschnitt.
hört. Die gefchloffenen AufsenflLigel zeigen die Verkündigung; öffnet man
sie, fo zeigt das Mittelbild das Martyrium des nackt an den Baum ges
bundenen Heiligen in klarer, freisfymmetrifcher Anordnung, mit mafsvoller
Lebendigkeit und wahrem Ausdruck CFig. 286J. Der landfchaftliche Hinters
grund mit der nahen Stadt fetzt sich auf den Innenfeiten der Flügel fort,
in deren Vordergrund links die hl. Barbara, rechts die almofenfpendende
Elifabeth steht. Befonders die letztere LFig. 28yJ ist eine wahrhaft könig1iche
Erfcheinung, voll Hoheit und Milde. Einem der Bettler hat der Meifter feine
eigenen Gefichtszüge gegeben. Die Gröfse der Auffaffung, die Einfachheit
und Reinheit der Zeichnung, die klare Breite des malerifchen Vortrags zeigen
den Künstler hier auf der Höhe klaffifcher Meiiterfchaft. Die F0rmenfprache
; M,X:w der italienifchen Renaiffance ist eine
il innige Verbindung mit deutfcher Wahrs
haftigkeit undEmpfindung eingegangen.
s Ebenbürtig diefem Werke ift endlich
.X die prachtvolle, bezeichnete und von
H . cI15I9Ld:tirte Darstellung des Brunnens
W es e ens beim Konig Ferdinand in
N Liffabon. Schone heilige Frauengestals
,,xEsi. H ten, in deren Mitte die Madonna sitzt,
H; H V ,X find hier vorn um die göttliche Quelle
;7Jj7 i gruppirt. Engel ergehen sich hinten in
II; II : H 9QX der Landfchaft die im Mittelgrunde
IX mit einem ftattlichen Renaiffance t l
X F. is gefchmuckt ist.1J Es ist die letzte Arg
XX Z beit des Meisters, von der wir Kunde
J haben.
X. . , Nicht minder grofs als in diefen
Fig. 288. H. H0lbeii1 d. ä.: silbe1stiftzeichnung. Ki1i.chenbilciern .errcheint Hans Ho1bein
e on ers in einen za reic en izzens
buchblättern, deren leicht hingeworfene studienköpfe in ihrer im Vorübergehen
dem Leben abgelaufchten Unmittelbarkeit einen hohen Begriff von der Sicherheit
feiner Be0bachtungss und Darstellungsgabe geben, zugleich aber zahlreiche Augss
burger Perfönlichkeiten jener Tage vom Kaifer bis zum Steinmetzen in aufsers
ordentlicher Lebendigkeit abfpiege1n. Ein kleines skizzenbuch aus feiner früheren
Zeit svon I 502J befindet sich im Bafeler Mufeum. Die meiften fo1cher Blätter feiner
reiferen Zeit aber bef1tzt das Berliner Kupferltichkabinet.2J Die feine, präcife
Silberftiftzeichnung ist hier durch Anwendung des RothstifteS und aufgefetzter
weifser Lichter belebt; die Einfachheit der Behandlung, durch welche der
II 1n der ersten AuAage hielt Woltmann das Bild für ein Jugendwerk des jüngeren H0lbein, in
der zweiten Ell, S. 132J verwirft er die DEcluheitcc überhaupt. L. .5cAeiöZeJs hingegen, der vor kurzem das
Original gesehen, 1conlii2tirt die Echtheit der Infchrift und die Uebereinsiirnmung mit dem Sebakkianss
alter des älteren Holbein. Die letztere i1X auch fehon aus den Photographien zu erkennen. Uebrigens
dachten fchon JJ. G777rmJ1 CKün1k1er und Kunstwerke II, S. 127J und FecJme7s CNaumann7s Archiv 1870,
S. 25J in Bezug auf diefes Bild an den älteren Holbein.
2J Hans Holbein d. ä. Si1berfiiftzeichnungen etc. herausgegeben von A IX1XoZxmemJ2, Nürnberg o. J.