Volltext: Die Malerei der Renaissance (Bd. 2)

DrIttes Buch. 
EriIer 
Abfch11itt. 
einein unbekannten Maler daselbst, JZoHwEZ Oz;JzzJzi72, als Lehrling aufgenommen 
und ward am I. August I432 Meister in der Malergilde daselbst. Nicht lange 
danach siedelte er nach Brüssel über, wo er dann auch feinen Beinamen in das 
ITlämische übertrug; hier wurde er zum Stadtmaler ernannt; am Z. Mai I436 
ist er zuerst als solcher urkundlich erwähnt. Später unternahm er eine Reise 
nach Italien, wo er schon 1449 nachweisbar ist und dann in Rom das Jubi1äum 
des Jahres I450 mitmachte. Rogier lebte in guten bürgerlichen Verhältnissen, 
war hochangesehen und für das ganze burgundische Reich beschäftigt. Er 
starb zu I3rüssel am 16. Juni I4641;. 
sei Ein näherer Zusammenhang Rogier7s mit der van Eyck7schen Schule ist 
nicht nachzuweisen, obwol1l eine persönliche Berührung mit Jan van Eyck 
immerhin möglich bleibt. Er theilt im wesentlichen die Principien der van 
Eyclc, ihre Richtung auf das Realistische und Individuelle und ebenso ihre 
malerische Technik, aber er ist eine ganz anders geartete Natur. Statt der 
vorwaltenden Ruhe, mag sie, wie im Genter Altare, tiefsinnig und erhaben, 
oder wie in Jan7s Madonnenbildern, sinnig und gemüthlicl1 fein, tritt bei ihm 
ein Zug des Affectes und der Erregung hervor. Das französische Blut ist bei 
Rogier, der aus französisch Flandern stammte, merklich. Diese Richtung ist 
nun aber mit den Principien der slandrischen Schule, der Gleichwerthigkeit 
zwischen Hauptsache und Beiwerk, Figuren und Umgebung, nicht vollständig 
vereinbar. Der Ausdruck von Pathos und Leidenschaft nimmt das Bewusstsein 
so stark in Anspruch, dass es für die Aufnahme behag1icher, ausführlicher 
Schilderung keine Musse hat, ja von solcher fast gestört wird. Daher stehen 
Rogiers ausdrucksvolle Gestalten und Gesichter oft hart im Gesammtbilde. 
Seine Auffassung wird ferner, weil sie grössere Bewegtheit der Figuren vers 
langt, eine in erster Linie zeichnende. Aber so scharf und srappant er ein 
neugeborenes Kind, das auf dem Rücken liegt, die Zehen spitzt und grosse 
Augen macht, nach dem Leben, einen Leichnam in der Todtenstarre nach 
dem Modell malt, so fehlt doch seinen bewegteren Figuren aus Mangel an anas 
tomischem Wissen, welches dieser Zeit noch verschlossen blieb, meist die rechte 
Sicherheit und Freiheit. Die Figuren gerathen steif, hager, asketisch, einzelne 
Körpertheile, besonders Hände und Füsse, kommen leicht ausser Verhältniss. 
Im Faltenwurf tritt allerdings bei ihm nicht jenes Spiel mit reichen, farbens 
prächtigen Gewandmasfen zu Tage, wie bei Jan, und er erscheint dadurch oft 
reiner im Geschmack; doch kommen auch wieder harte, scharfbriichige Motive 
vor. Die Köpfe, in denen bei allem individuellen Gepräge doch der Typus 
eines länglichen Ovals, grosser Augen und stark vortretender Stirn durchgeht, 
sind stets ausdrucksvoll und von innerem Leben erfüllt, aber herb; und selbst 
in ruhigen Situationen, selbst wenn ein Bild milder Weiblichkeit hingestellt 
werden soll, fehlt das Gefällige, bleibt ein Schatten von Dürftigkeit zurück. 
Da nun Rogier zunächst Zeichner ist, bringt er es wohl zu grosser techs 
nischer Vollendung und Präcision in der Farbe, ist aber nicht eigentlich von 
co1oristischem Gefühle geleitet. Seine Farbe ist harmonisch, im Fleischton klar,
	        
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