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Viertes Buch.
I. Abt11eilu11g.
Erster Ab schnitt.
tigen Meister, welche früher oft mit einander oder mit anderen verwechfe1t
wurden, find erft feit dem letzten Jahrzehnt in7s richtige Licht getreten.
Gk1zI2kkh.M J1JzZZZJz22z.5 deffen Geburtsjahr ebenfo unbekannt ist, wie fein
www iTodesjahr, war aus Afchaffenburg gebürtig. Daher nennen Zeitgenoffen ihn
gelegentlich auch Matthe8 von Afchaffenburg CAfchenburg, 0fchenburgJ. Am
besten war noch Joachim Sandrart2J über ihn unterrichtet; aber auch dieser
deutfche Kunstgelehrte des 17. Jahrhunderts weifs von feinem Leben schon
Sein Leben. nichts weiter zu berichten, als i7dafs er f1ch meistens zu Maynz aufgehalten,
ein eingezogenes, me1ancholifches Leben geführt und übel verheurathet ges
wefen.cc Um fo klarer hatte er feinen Kunftcharakter erkannt. Sandrart nannte
Grünewald einen vhochgestiegenen und verwunderlichen Meisteru und fprach
ein bedeutungsvolles, nur allzu lange unbeachtet gebliebenes VVort aus, als er
ihn den vdeutfchen Correggi0ce taufte. Es ist in der That vverwunderlichkk zu
fehen, wie Matthias Grünewald im Gegenfatze zu allen feinen deutfchen Vors
gängern, ganz aus sich selbst heraus und innerhalb der deutfchen Eigenart
jener Tage plötzlich einen malerifchen Stil ausbildet, der in feiner korpers
lichen und geistigen Bewegtheit, in feinem weichen, Hüfsigen Farbenauftrag, vor
allen Dingen aber in feiner koloriitifchen Neigung, in feinem Helldunkel und
in feinen fchlagenden Lichtwirkungen der gleichzeitigen AuffaffungSs und Dars
stellungsweife des grofsen Meifters Von Parma parallel geht. Grünewald ift
fchon einer von jenen Naturalisten, deren Auge weniger für eine strenge Naturs
wahrheit in der Durchbildung der einzelnen Formen, als für die natürliche Ers
fcheinung des koloriftifchen Lebens, des Gefammttones in Luft und Licht
ausgebildet ift. schlagend tritt z. B. feine Gegenfatzlichkeit zu Meistern wie
Dürer und Kranach in feiner Haarbehandlung hervor. Während jene, wenigs
stens auf ihren meisten Bildern, die Einze1haare oder doch die Einzelsträhne
forgfältig durchbildcn, weifs Grünewald das Haar weich und breit, manchs
mal faft wollig, als Gefan1mtmaffe zu behandeln. Hand in Hand mit der
gröfseren Breite feines Farbenauftrags geht auch feine breitere, weichere Aufs
faffung der Formen; und dabei weifs er trotz fpielender Einzelmotive in der
Bewegung feiner Gestalten und in dem Wurf feiner Gewänder oft genug gerade
in diefen Dingen den Eindruck würdiger, felbst grofsartiger Gefammthaltung
zu wahren.
GJ;iä113e Die meisten von den Gemälden des Meisters, welche Sandrart bel0rieb,
find leider verloren gegangen. Doch bewahrt das städtifche Mufeum zu Franks
is. Fk.mkku2ik furt a. M., zwei durch Sandrart. als Werke Grünewalds beglaubigte und mit
TM. deffen Monogramm bezeichnete AltarHügel, die Gestalten des hl. Lorenz mit
feinem Roste und des hl. Cyriakus mit dem befeffenen VVeibe, welche, obs
II Ä. 1XIXolZi2mmz gebührt das Verdienst, diesen Meister in feiner wahren Gestalt wieder zu Ehren
gebracht zu haben. Abgesehen von feinen früheren Notizen, hat er viermal über ihn geschrieben: Zug
nächst in feinen vE1säflisc11en streisziigenci in J.iZZsow7J Zeitschrift VIII. sl873J, s. 321 kf.; sodann in
feinem Werke pDeutscl1e Kunst im Elsassu Leipzig s1876J S. 247s262, ferner in Di2XiJ;2eLv xsKunsl: und
Kiinkcleru Bd. I; endlich in der A1lg.,deutschen Biographie Bd. X. 1879. Die friihere Literatur über
diesen Meister ist dadurch veraltet, keineswegs aber diirfen die Untersuchungen über ihn als abges
schlossen geilen. Ueber den sog. oPseudosGriinewa1da siehe oben S. 419,
2J Teutsche Academie CNiirnberg I675J II, S. 236 und zweiten lIaupt1heilS dritter Theil C1679J,
s. 68 f.