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Viertes
Buch.
Abtheilung.
Erster Abfchnitt.
kein Meister des I6. Jahrhunderts in Deutfchland auch Dürer nicht
bei feinen Lebzeiten durch feine Kunst zu fo hohem bürgerlichen Ansehen
und zu fo grofsem W0hlstande gebracht wie Lukas Kranach. Kein deutfchcr
Maler jener Tage ist aber auch fo fruchtbar gewefen wie er. Es ging ihm
leicht von der Hand; fcl1on zeitgenöffifche Urtheile bezeichnen ihn als yden
fchnel1encc und vfchne11sten Malerei; und wenn diefe Eigenschaft auch feine Sorgs
falt in der äufSeren Ausführung nicht beeinträchtigte, f0 fpiegelt f1e sich in
feinem gefammten Künstlercharakter doch deutlich genug ab. Ein tiefes inners
1iches Ringen fpricht f1ch in keinem feiner Werke aus; und eben defshalb
reifsen fie uns auch nicht zu leidenfchaftlicher Verehrung hin, fondern erfüllen
uns nur mit behaglicher Bewunderung und anheimelnder Freude.
Sein Leben. Lukas Kranach ist I472 geboren. Seit dem Jahre 15o4 finden wir ihn,
fchon verheirathet, als Hofmaler des Kurfürsten Friedrichs des Weifen in
VVittenberg anfaffig. Hier gründete er eine grofse VVerkftatt, in welcher
Malers und Anstreicherarbeiten jeder Art, der höchsten, wie der geringsten,
ausgeführt wurden; hier richtete er fpäter auch eine Buchdruckerei ein, ja hier
kaufte er I 52o, unternehmend und gefchäftskundig, wie er war, eine Apotheke.
Die Stadt Wittenberg wählte ihn fchon I5I9 zum Kämmerer des Rathes, 1537
aber zum ersten Mal und I540 zum zweiten Mal zum Bürgermeister; und nicht
minderen Anfehens als in der Stadt, erfreute er lich bei den kurfachfifchen
Für1ten. Friedrich der VVeife zeichnete ihn fchon I508 durch Verleihung eines
Wappenbriefes aus, und im folgenden Jahre fchickte er ihn, wie Scheurl ans
giebt, Drum mit feinem Talente zu prunkencc, in die Niederlande, doch wohl
Zum Kaifer Maximilian, der damals dort dem achtjährigen Karl V. huldigen
und ihn von Kranach malen liess. Auch unter Friedrichs Nachfolger, Johann
dem Beitandigen behauptete der Meister fich als Hofmaler; am
innigsten aber gestalteten fich feine Beziehungen zu deffen Sohne Johann Frieds
rich dem Grofsmüthigen. Diefein folgte der l10chbetagte Maler nach der
Schlacht bei Mühlberg in die Gefangenschaft nach Augsburg, später, nach
feiner Freilaffung, im Oktober I552 nach XsVeimar. Hier begann Lukas Kras
nach, achtzigjährig, eins feiner grofsartigsten Gemälde zu malen, starb aber vor
deffen Vollendung, fchon im folgenden Jahre, am I6. Oktober l553.
Kkaki29i:ss Auch Meister Lukas war Maler, Kupferftecher und Reifser für den Holzi
KiiPMa1che.fchnitt. Seine Kupferstiche sind jedoch felten. Aufser einigen Fürstenbilds
niffen und den drei Lutherbildcrn von I5I9, I52o und I521 ist nur noch die
:sBufse des hl. Chryfoitom0scc von I509 bekannt, fein einziger grösserer Kupfer.
stich, welcher bei intereffanter, die Phantafie anregender, fast ganz landfchafts
licher Zeichnung doch in der fonderbaren Schraffirung und Behandlung eine
in diefer Technik noch ungeübte Hand verräth. Zahlreich find dagegen die
s2ri3kni13t:iz. Ho1zfchnitte, welche Cbefonders in der früheren ZeitJ aus Lukas Kranach7s
Werkstatt hervorgegangen find. Auf ihnen kommen Gegenstände aus dem
alten und dem neuen Testamente, aus der Heiligen1egende, aus der antiken
Mythologie und aus dem täglichen Leben in derfelben Mannichfaltigkeit wie
auf feinen Gemälden vor, und eine lange Reihe von Bildniffen berühmter Zeits
gen0ffen find auch in Kranach7fchen Holzfchnitten über ganz Deutfchland vers
c;ki;rsk:ke breitet worden. Als gröfsere Folgen find die fünfzehn Paff1onSb1ätter, die zwölf
eigen, Blätter Apostelmartyrien, die fchon genannten vierzehn Blätter, welche Christus