Volltext: Die Malerei der Renaissance (Bd. 2)

Malerei 
deutfc;11e 
Hälfte 
16. Jahrhunderts. 
383 
Untergewand des IsIeic1ens 
apofkels iPc kaum sichtbar. 
Der rief1ge weifse Mantel, 
deffen Drapiru11g in ihrer 
grandiofen WVahrheit und Eins 
fachheit an die Antike erins 
nert, umHiefst fafk die ganze 
Geftalt. Das kahle Haupt mit 
dem langen Barte und dem 
Feuerauge ifk ganz Energie, 
ganz Leben, ganz Ueberzeus 
gung. Wir denken an Micheli 
angelo7s Mofes. Hinter ihm 
aber blickt der bleiche tiefs 
f1nnige Krauskopf des Evans 
geliPcen Markus hervor, deffen 
vor innerer Erregung fkarres 
Auge nur fcheinbar nach 
aussen blickt. Eine a1teUebers 
1ieferung fagt, Dürer habe 
zugleich die :sVier Temperas 
mentecc in diefen vier Köpfen 
dar1Ie1len wollen. In der That 
wiffen wir, dafs die Doktrin 
von den vier Temperamenten, 
welche ein Hauptkapitel der 
   
jener Zeit bildete, auch Di.irer 
beschäftigt hat; und wir sehen 
es den vier Köpfen unferer 
Bilder an, dafs der Meister 
ein Problem in ihnen löfen 
wollte. Gerade im Gegenfatze 
zu der grofsen Einfachheit 
der Gewandung wirken diefc 
inhaltreichen Köpfe um fo 
ergreifender. Jetzt erPc, am 
Ende feines Lebens, fchien 
Dürer das Räthfel gelöst Zu 
haben, zugleich ganz fchlicht 
und gr0fs und doch ganz ins 
,dividuell und charaktervo1l, 
zugleich mit höchster technis 
fcher Vollendung und doch 
vom tiefften Gedankeninha1t 
durchgeifiigt zu fchaffen; und 
der Zug grubelnder ReAexion,
	        
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