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Buch.
Wertes
Abtheilung.
Erster. Abschnitt.
Leben .und Treiben, das Denken und Empf1nden des deutfc11en Volkes am
unverfä1fchtefken wieder: fein geifiiges Ringen und fein urwuchf1ges sichgehcns
Laffen, fein Ernfi und fein Humor, feine Derb11eit und fein Zartgefuhl.
Albrecht
Di.irer.1J.
XJcnkI:l3ci;Hi;ikizTY Der gründlichfte und charaktervollste, der gedankcntiefste und phantaf1es
Ruhm. reichste deutsche Künstler jener Zeit und aller Zeiten war flZöMcJzZ D2Zrx7s. Schon
feinen Zeitgenoffen imponirte feine ernste Gröfse f0 gewaltig, dafs fein Ruf f1ch
rasch über die Grenzen Deutfchlands verbreitete. Die Ita1iener hielten ihn für
den gröfsten nichtitalienifchen Künstler und fügten hinzu, er würde auch der
beste aller italienifchen Meister geworden fein, wenn ihm gestattet gewefen
wäre, in Florenz zu leben oder in Rom die Antike zu ftudiren. Dass die
grofsen Italiener die Eigenfchaften, die f1e an Dürer vermifsten, nämlich die
volle Reinheit und Einfachheit der Formen, wirklich vor ihm v0raushaben,
werden wir nicht läugnen; da wir aber die Geltung einer grofsen und feffelns
den kiinstlerifchen Erscheinung mit nach dem Mafse ihrer örtlich und zeitlich
bedingten Selbständigkeit bestimmen, so wird auch Dtirer uns gerade nur in
feiner Eigenart fein können, was er uns ist.
Niemals hat ein Künstler ernsthafter darnach errungen, als Durer, f1ch
ch2k2k:s:k. Rechenfchaft über feine Begriffe von Wahrheit und Schönheit Zu geben. Seine
theoretifchen Schriften beweifen das ebenso klar, wie die lange Reihe feiner ers
haltenen vollendeten Werke und Studien. Eine Folge diefes Strebens und
Ringens ist es, dass Sti1wandlungen im Gefolge verfchiedener EinHüffe bei
Dürer keineswegs ausgefchl0ffen find. Eine Folge der Selbständigkeit feines
Genius und der starken grofsen Ueberzeugungstreue, mit der er f1ch felbst stets
als Deutfchen oder Nürnberger bezeichnete, iit es aber, dafs jene Wandlungen
geringer find, als fein eigenes, felbständiges Stilgefiihl. Die harten Körpers
formen, die herben Gefichtszüge, die trotz ihres grofsen Gefammtwurfs an vies
len Stellen kleinlich gebrochene, knittrige Faltengebung hat er als Manier der
Zeit und der Schule, aus denen er hervorgewachfen, geerbt; aber die grössere
Freiheit und Reinheit der Formenfprache feiner grofsen italienifchen Zeitges
noffen ist, wie wir fehen werden, keineswegs fpurlos an ihm vorübergegangen.
II Die Di.irer1iteratur lenkt mit F. Ciz72xJAs isRe1iquien von A. Dürerci, Nürnberg 1828, in Wissens
schastliche Bahnen ein. Von JJeZZeJ3J grossgeplantem Werke o:Das Leben und die Werke A. Diirer.sii,
erschien nur der zweite, ein unkritisches Verzeiehniss der Werke enthaltende Band in zwei Abtl1ei1uns
gen, Bamberg 1827. Immer noch 1esenswerth ist K. B. FrizJsJe7r Aussatz über A. Dürer von 185l
CNeuer Abdruck in seinen Vorträgen und Aussätzen, Leipzig 188oJ. Von den übrigen deutschen Wers
ken über Diirer aus den mittleren Vierteln unseres Jahrhunderts ist nur noch hervorzuheben Ä. V.
E,1se,r vl.eben und Wirken Düker7scs, Nörd1ingen C2. AuAsgeI l869. Ueber englische Dürerbücher:
IXezzsJZ;zg in Liitz0w75 Zeitschrist V. S. 157. Die reiche Diirerliteratur in deutschen Zeitschriften wurde
überholt durch M. 77:xmj7zgl.r 1clafs1sches Werk: vDürer, Geschichte seines Lebens und seiner Kunltu,
Leipzig 1876. Gleichzeitig vertrat M .5rJ2z2zi:iZ in seiner Biographie in Dohme7s ::Kunst und Künstlers
eine eigene, von der unseren abweichende Auffassung des Meisters. seitdem lind besonders Fi:fmzy
CuZ7Jf72Cr Aufsätze CA. Diirer, HiS teachers, his rivals, bis scholarsJ, im Portsolio 1877, und cJz. EzJämJFs.v
Artikel in den letzten Jahrgäingen der Gazette des BeauxsArts bemerkt worden. Erstere beschäftigen
sich jedoch auSschliesslich mit den Kupserstichen, letztere hauptsächlich mit den Handzeichnuugen des
Meisters.