Drittes Buch.
Erfker
Abfc11nIlt.
Bildnifsen, sondern auch in folcl1en Zügen, die manchmal in seinen Werken
minder befriedigen. Im Fa1tenwurf ist eine gewisse Ueberladung und scharfs
brüchigkeit wahrzunehmen, und zwar nicht nur bei den JohannessFiguren, bei
denen das durch den Anfchlufs an plasiifche Vorbilder erklärlich wäre, sons
dem auch bei der Verkündigung, in der auch die Köpfe nicht ganz über die
Nüchternheit hinausgehoben f1nd1J. Im Uebrigen haben die Versuche, zu fons
dem und auseinanderzuhalten, auch ihr Bedenkliches. Die beiden Meister
waren in Begabung und Technik brüderliche Naturen, das Werk macht auch
in der Behandlung einen harmonischen Eindruck. Nur im allgemeinen können
wir vermuthen, dass die Züge ruhiger Grösse, imp0nirendcr Hoheit und edleren
Geschmacks, die hier stärker als in Arbeiten Janls l1ervortreten, nicht nur auf
Rechnung des bedeutenden Auftrags kommen, sondern auch in der besonderen
Begabung des älteren Bruders ihren Grund haben, neben wel.chem Jan selbst
bescheiden zurücktrat und nur als Vollender gelten wollte.
Werke des DIE fCIbfkändigen Gemälde Jan7s, die erhalten sind, geben uns von
feinem Realismus und feiner technischen Meisterfchaft den höchsten Begriff,
können sich aber mit dem Genter Altar an Bedeutung nicht messen. Unübers
tk0ff6l1 Hi Er in VV6kken ganz kleinen Massstabes, in denen die damalige slandris
fche Schule bald in demselben Masse ihr eigentliches Feld sieht, wie die g1eichs
zeitigen Italiener es in den grossen FrescosCyklen fuchen. Da ist die Schärfe
und Feinheit in der Durchführung der Gestalten bewundernswertl1. Mit Farben,
die ziemlich pastos ausgesetzt und stark vertrieben find, in ihrem schmelzartigen
Auftrage nirgends einen Pinselstrich sehen laffen und bei warmem Grundton zu
grosser Leuchtkraft gesteigert sind, treten die Gegenstände in plastifcher Models
lirung heraus. Ueberall ist die räumliche Umgebung und das Beiwerk von
wunderbarem Zauber der Wirkung. In Innenräumen mit weiter Perfpective
tritt uns eine Lust. und I.ichtwirkung entgegen, wie sie doch noch kaum im
Genter Altar erreicht war und auch in keiner späteren Epoche überboten wors
den ist. Die stoffliche Wahrheit der Gewänder, des Hausraths, der Metalls
geräthe ist überall siaunenswerth. Meist find diese Gemälde Madonnenbilder,
die selten für die Kirche, gewöhnlich für Andacht und Kunl7cgenuss im Hause
bestimmt waren. Die Gesichter der Maria und des Kindes haben keinen idealen
Charakter, die Lieblichkeit Ader thronenden Maria auf dem Genter Altar ist
niemals erreicht, oft erscheint der Knabe ältlich, die. Madonna reizlos und
verdrossen. Selbst schwächen in der Zeichnung kommen, besonders bei nackten
Kinderkörperchen, vor, die Hände sind oft auffallend klein, und die Gewandung
behält die eckigen, fcharfbrüchigen und überladenen Motive fpätgothischer
Plastik bei. Namentlich sobald der Mafsstab grösser wird, kommen harte, uns
gelenke Züge, ungünstige Proportionen vor. Auf feiner vollen Höhe erscheint
Jan van Eyck im Porträt, bei dem er ebenfalls unter dem 1ebenSgrofsen Mafss
Habe zu bleiben pflegt. Die individuelle Schärfe vereinigt er hier mit übers
zeugender Lebendigkeit. Noch von der Mehrzahl feiner flandrifchen Zeitges
noffen abweichend, hat er häufig feine Bilder auf dem Rahmen oder auf einer