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Drittes Buch.
Dritter Abschnitt.
Aus der Zeit von Viti,s Aufenthalt in Bologna ist ein sicheres Werk nicht
nachweisbar; das erste Werk, in welchem wir den Meister kennen lernen, ist
das für die Familie Spaccioli ausgeführte Temperabild einer thronenden Mag
Brer:s. donna mit den Heiligen Crescentius und Vitalis in der Brera CFig. 23oJ. Viti vers
Stil. leugnet in diesem Bilde nicht den LehreinHuss Francia7s und C0sta7s; sowohl in
der Formenanschauung wie in der Mache schliesst er sich an diese beiden Meister
an; so erinnert der mus1cirende Engel stark an Costa, während die beiden assistis
rcnden Heiligen mehr zu Francia hin führen. Aber schon diesem Werke fehlt
der Rapl1ael,sche Anhauch nicht, der es wohl zu Stande brachte, dass nach
Passavant7s Aussage das Bild längere Zeit für ein VVerk Raphael7s galt. Eine
hl. Margarethe, im Privatbcs1tze zu Mailand, wird derselben Zeit zugeeignet,
und derselben Zeit entstammt das Altarbild.in S. TrinitT1 in Urbino, welche
.eine hl. Apollonia darstellt. Auch hier wieder erinnert Manches an Francia,
im Kopftypus aber werden wir an die Typen Raphael7S aus seiner Jugendzeit
gemahnt. Ferner gehört dieser Zeit das bekannte Bild im Bes1tze des Herrn
Sar1lJlF1;1Z;ng Morris Moore in Rom an, welches den Apollo darstellt, wie er dem die Flöte
1Y1s;Yris blasenden Marsyas zuhört. Die Formengebung weist auf die Schule von Costa
und Francia hin, während die Landschaft uns in die Umgebung Urbino7s
versetzt. Diesem Bildcl1en ist eine Anmutl1 der Erfindung, eine Poesie der
Formen eigen, dass es nicht WVunder nehmen kann, wenn viele Beschauer
praphaeliscl1ei angemuthet werden. Ebenso gehört dann hierher die Vers
kündigung mit den Heiligen Sebastian und Johannes d. T. in derBrera O CFig.231J.
Es ist wichtig, diesen vraphaelischencc Zug in den Werken aus der Frühzeit
des Timoteo Viti hervorzuheben, zu erklären wird er nun freilich auf andere
7xsisYaä;HZ:.; Weise sein, als es bisher geschah. Wir werden nicht mehr annehmen
.dürfen, dass Timoteo von Raphael beeinflusst worden sei, sondern dass, falls
wir nicht den urbinatischen Boden allein für diese Verwandtschaft verants
wortlich machen wollen, Raphael vor seinem Eintritt in die Werkstatt des
Perugino einige Zeit im Atelier des Timoteo gearbeitet habe. Diese Ans
nahme findet eine Stütze in der warmen Freundschaft und Hochacl1s
tung, die Raphael stets dem Timoteo entgegenbrachte, aber sie giebt,
auch den Fingerzeig, wer das verbindende Glied zwischen Raphael und Francia
gewesen sei. Dem Jahre 15o4 entstammt das Altarbild, welches Timoteo
laut letztwilliger Bestimmung des Bischofs Gian Pietro Arrivabene für dessen
UJ31;sl;;0. Grabcape1le im Dom zu Urbino malte. In der oberen Hälfte sind der hl. Thomas
von Canterbury und der hl. Martin dargestellt; die untere Hälfte zeigt die
Porträts des Stifters und des HerZogs Guidobaldo. Zeichnung, Modellirung,
Farbe sind gleich vorzüglich; das Incarnat mit seinen perlgrauen Schatten ist
von besonders seinem Ton. Alles bekundet einen Meister der Gediegenheit
und Gründlichkeit der Arbeit mit einem geläuterten Geschmack und feiner
Empfindung aus das glücklichste verbindet. Der Einsiuss Francials ist auch
in diesem Werke nachweisbar, aber es kann nicht überraschen, dass derselbe
mehr und mehr sich abschwächt und umbrische EmpHndungsweise und Formens
anschauung in den Vordergrund treten. Das ist der Fall in der hl. Magdas
mit
Majo1icate1lern
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