Drittes Buch.
A12chei1ung.
ErPcer Abschnitt.
hcit und Macht, die nie bisher geahnt worden war und auch nie übertroffen
ist. Er, in langem, rothem Rock, mit rasirtem Gesicht, kahlem Kopf, mehreren
VVarzen, abstehenden Ohren und kleinen Augen zeigt im Ausdruck eine bei
aller bürgerlichen Tücl1tigkeit fast bis zur Beschränktheit gesteigerte Devotion.
Die Frau, in pf1rsichfarbenem Gewande, ist eine würdige Matrone, die auch in
dieser feierlichen Haltung ihren klaren, verständigen Hausfrauenf1nn nicht
verleugnet.
kk:2x.r2:i1cs. Die Aussenseite ist schon durch die Steinfarbe der Patrone und die weissen
Gewänder auf der Verkündigung einfacher. 0effneten sich die Flügel, so
strahlte die Festtagseite CFig. 142J in desto reicherer Pracht mit farbensrifchen
Gewändern, schimmernden Kleinodien, üppigem Grün in der unteren Lands
schaft und festlichem Goldgrunde auf den oberen Mitteltafeln. Der Inhalt des
Ganzen ist eine symbolifche Darstellung des Erlösungswerkes, im Anschlufs an
die Apokalypse, durch den Brunnen des Lebens, der zu Füssen des Lammes
entspringt, und zu dem alle Heiligen von verschiedenen Seiten heranziehen.
Darüber thront Gott Vater zwischen Maria und Johannes dem Täufer, einges
schlossen von zwei Engelchören und den Gestalten des ersten Menschenpaares,
dessen Sünde die Erlösung bedingte.
U21xekc Wie für die Anordnung des Ganzen theologischer Beirath vorauszusetzen
Reihe. ist, und der Inhalt überall auf traditionellem Grunde ruht, so ist auch das Bild
vom Lebensbrunnen überliefert, es kommt zum Beispiel auch, wenn auch nicht
in völlig übereinstimmender Compos1tion, im Malerbuche vom Berge Athos
vor. Der Quell lebendigen Wassers sprudelt im Vordergrunde der Mitteltafel
aus ehernem Brunnen in ein farbiges Marmorbecken, von dem er aus einem
Löwenkopf krystallhell in die Wiese Hiesst. Hinter ihm, etwas erhöht, steht
auf einem Altar das Lamm, dessen Blut in den Kelch rinnt, von Engeln mit
Marterwerkzeugen und Rauehfassern verehrt. Links am Brunnen knieen die
Propheten mit Büchern, in langen Röcken sHouppelandesJ, wie man sie damals
in den Niederlanden trug, und mit den mannigfaltigen Kopfbedeclcungen den
Zeit, rechts die Apostel mit nackten Füssen und in der überlieserten Tracht
Hinter jenen steht eine dicht gedrängte Schar, zum Theil wohl andere Ges
sta1ten des Alten Testaments, denen sich aber auch Dichter und Philosopher
des Alterthu1ns anreihen, wie vorn der blaugekleidete Mann mit dem Myrthens
reis und der Weissgek1eidetes dicht hinter ihm mit dem Lorbeerzweige unc
Lorbeerkranze. Auch das Malerbuch von Athos schliesst den Propheten die
griechischen Philosophen und Dichter, welche Christi Menschwerdung prophei
Zeit haben, an. Rechts, im Rücken der Apostel, stehen die Kirchenlehrer
Papste, Bisehöse, Diakonen in farbenreichen Priestergewändern, meist in Bücher
versunken, hinter ihnen kommen noch zahlreiche Köpfe, Mönche und Laie:
jedes Standes, zum Vorschein. Im Mittelgrunde, aus Ho11lwegen zwische1
Gebüschen, ziehen andere Scharen herbei, links die Märtyrer, denen wiede
Papste, Cardinäle und Bischöfe voranfchreiten, rechts die Jungfrauen, Agnes
Barbara, Dorothea an der Spitze. Die Taube des heiligen Geistes schweb
über dem Lamm und sendet ihre Strahlen auf alle herab.
Beiderfeits, auf den Flügeln, kommen vier weitere Scharen zum Brunne1
gezogen: links, zu Pferde, die Streiter Christi, drei bekränzte Jünglinge mi
Bannern und spiege1nder Rüstung vorn, hinter ihnen Könige und Fürsten, dan1