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Drittes Buch.
Abthei1un g.
Dritter Abschnitt.
und hohen poetifchen Schwung, durch die er in häus1ichen wie in kirchlichen
Andachtsbildern zum Gemüthe zu fprechen vermag. Er wetteifert mit dem
Bruder an lVleifterfchaft der Farbe, foba1d er die neue Technik angenommen
hat, und ist in der 0e1malerei faftig und tief, kräftig im Schatten und klar
im Lichten, heiter und verfchmolzen, bei vollendeter Harmonie und feiner
Beobachtung der .Luftperfpective, obgleich er sich in der Scenerie nicht fo
fchwierige Probleme, wie Gentile mit feinen Stadts und Canalanf1chten stellt. Die
paduanifche Strenge, der von Mantegna beeinflufste Stil der Zeichnung find
jetzt gemildert, aber dafs er eine so ernste Zucht durchgemacht, kommt Gi0s
vanni doch noch zu gute. Mag jetzt auch, bei der rein ma1erifchen Anschaus
ungsweife, die er vertritt, die Farbe, nicht der Contour, in Cornpof1ti0n, Vers
thei1ung der Maffen,. Gewandbehandlung bestimmend sein, fo bleibt ihm doch
immer ein feines Liniengefühl eigen.
ikiiZIIsf;i,IF;, Schonsin den einfachften Aufgaben, den Halbfiguren der Madonna mit dem
Kinde tritt uns feine feelenv011e Schönheit der Auffaffung entgegen. Zu den
früheren gehört noch ein Bild aus S. Maria dell7 0rto, zur Zeit in der
Akademie, auf welchem der Körper des Chri1tusknaben in den Formen noch
an Mantegna erinnert, fein Ausdruck kindlicher als gewöhnlich ist, und Maria
mildsmelancholifch vor f1ch hinblickt CFig. 220J. Mehrere Madonnenbilder bes
f1tzt die Akademie in Venedig. Eins, Maria mit dem vor ihr auf der Brüitung
stehenden Kinde, mit grünem Vorhang und landfchaftlichem Grunde, höchft
edel im Ausdruck, ist I487 datirt C94J. Bei einem zweiten wufste Bellini eine
noch strengere Grofsartigkeit in die Züge der Mutter und des fegnenden
Kindes zu legen, das bei ihm felten fo naiv kindlich wie bei den Florentinern
erfcheint CI01J. Befonders zart ausgeführt ist die Madonna mit rothen Cherubss
YI,ok2dou,, köpfen C3I3J. Ein Madonnenbild von befonderer Schönheit besitzt die Nas
MiäY2S1iii1e,mitionalga1erie in London, zwei folche Bilder das Berliner Mufeum, zwei, von
KiEikfTY2n.1i denen eins, I 5Io datirt, zu des Meisters fpätesten Arbeiten gehört, die Brera
in Mailand.
In anderen häuslichen Andachtsbildern gesellen sich der Mad0nna rechts
und links noch Halbf1guren von Heiligen bei, wie in zwei Meisterwerken der
jF;1F;lkjHz. Akademie zu Venedig, das eine C436J mit Magdalena und Katharina, ganz ins
dividuellen Köpfen, auf dunklem Grunde sFig. 22IJ, das andere C424J mit dem
bärtigen Paulus und ehrenfesten bartlofen Ritter Georg. Den Nimbus hat die
realistifche Malerei aufgegeben, der stimmungsv0lle Zufammenhang zwifchen
den einfachen Charakteren, die künft1erifch ganz der Wirklichkeit angehören,
ist die Hauptsache.
Die Compolition in Breitbi1dern mit halben Figuren wendet der Meister
HJJs;IF1 auch gern für biblifche Scenen an, für die Befchneidung CCast1e HowardJ, für
idie Beweinung Christi, die er, wie in früheren Jahren, auch jetzt häufig malt;
wir erwähnen das leider stark überma1te figurenreiche Bild in Stuttgart, die
nur bis zur Untermalung grau in grau gediehene Compof1ti0n in den Uftizien,
den christusleichnarn zwifchen Maria und Johannes, fein und mild in der
Empfindung, im Mufeum zu Berlin.
Ein merkwürdiges, ganz für sich stehendes Bild ist die in ganzen s0,45 hohenJ
Figuren, aber in mäfsigem Umfange ausgefiihrte Verklärung Christi im Museum
Venedig,
Akademie.