274
Drittes
Buch.
Abthei1ung.
Dritter Abschnitt.
Erbarmens, deren Mantel einerseits Elisabeth mit den Johannesknaben, andrers
seits den knieenden Marchese Francesco, eine einfachsgrossartige Bildnissgestalt,
umfängt, über dessen Haupt sie schützend ihre Hand hält, während das in
ihrem Schosse stehende Kind segnend die Hand erhebt. Seitwärts der Erzs
engel Michael und St. Georg, Andreas und Longinus. Bei meisterhastem
Gruppenbau und zartester Durchbildung der prächtigen Einzelheiten ist doch
die Temperasarbe, der Mantegna immer treu blieb, so fein gestimmt, dass kein
Eindruck des Ueberladenen entsteht. Diesem Hauptwerk ist in Charakter und
Behandlung ein Bild in der Nati0nalgalerie zu London nahe verwandt: Maria,
gs1erie. auf deren schoss das Kind steht, zwischen den hoheitSvollen Gestalten Jos
hannes des Täufers und der heiligen Magdalena; die Madonna im Ausdruck
fast noch befangen, die zwei Heiligen in ihrer Begeisterung und uberzeugungss
frohen Weltentsagung desto herrlicher CFig. 2I5J. Nur das Gefält im Charakter
nasser Gewänder ist vielleicht allzu studirt und nicht breit genug. Bei heiterer
Farbenklarheit heben die Figuren lich wirkungsvoll von den 0rangens
bäumen zu den Seiten des Baldachins und dem Himmel mit leichten
Wölkchen ab. Eine kleine Halbf1gur der Madonna, deren Hals das mit
einem Hemdchen bekleidete Kind umschlingt, indem es begeistert emporblickt,
in der Galerie zu Bergamo, zeichnet sich durch die vollendete Durchbildung
der Glieder wie Verkürzung des Kopfes aus. Derselben Zeit gehört das Leins
1Z;i:1seik;i, wandbild an, das aus dem Nachlass des Sir Charles Eastlake für die Dresdner
Galerie erworben worden ist. Maria mit Zügen voll Reinheit und gedankens
vollen Adels wird durch das Kind, das vor ihr auf einer Brüstung steht, um
den Nacken gefasst, seitwärts Joseph und Elisabeth mit dem Johannesknaben.
Die I497 datirte Madonna mit dem Kinde, auf Wolken thronend, mit vier
männlichen Heiligen, in der Sammlung Trivulzi zu Mailand, ist wahrscheinlich
Tkiviitzi7 mit einem ehemaligen Altarbilde in S. Maria in 0rgano zu Verona identisch,
wie Rechnungsnotizen aus dem Jahre I496 vermuthen lassen. O
L0uvke. Noch etwas später fallen zwei Bilder mässigen Umfangs im Louvre, welche
die Gemahlin des Marchese Francesco, Isabella von Este zum Schmucke eines
Gemaches bestellt hatte, für das sie dann auch, wie wir oben Es. 244J durch
Briefe aus den ersten Jahren des I6. Jahrhunderts gesehen haben, ein Bild von
Perugino malen liess. Die Gegenstände sind allegorischen und mytho1ogischen
Charakters; das eine Gemälde, die Tugenden, welche die Laster verjagen, ist
in den oft abenteuerlichen Typen der Laster charakteristisch und geistreich,
in den s1egreichen Göttergestalten edel und frei. Noch höher als dieses phans
taitische Lehrgedicht steht allerdings das zweite Gemälde, der Parnass: Apoll
mit der Leier, der Reigen der Musen, seitwärts Mercur mit dem Pegasus, unter
dessen Huf die Hippokrene entspringt, Venus und Mars mit dem Amorknaben
und der nahende Vulcan. Hier entfaltet sich eine Anmuth der Form und Bes
wegung, wie sie die italienische Renaissance bisher noch nicht erreicht hatte,
und die erst Raphael übertraf. Die landschaftliche Umgebung spricht haltungss
voll mit, die Farbe ist bei feinem Helldunkel von weicherem Schmelz, die
Modellirung zarter, die Arbeit von äusserster Gewissenhaftigkeit.2J,
II JlIz7mseJi, Vafari, IlI, S. 393 An1n.
2J Der Auffaffung von crowe und Cava1cafe11e,
Scl1iilerl1ände in ihnen zu erkennen glauben, müffen
welche diefe fpäteren
wir widerfprechen,
Arbeiten
und
unterfchätzen