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Drittes Buch.
Abtl1ei1ung.
Zweiter
Abfc1mitt.
jugendlich schöne Engel, musicirend, Blumen streuend, Kränze für die Ers
wählten bereit haltend.
Umis2.hmu.,g Eine schöne ornamentale Umrahmung mit Pilastern und Friesen trennt
1zsTIIJ;i,k, die Bilder; am sockel haben zahlreiche kleine Bilder und Medaillons mit
scenen aus Dichtern des Alterthums, der Bibel, der göttlichen Komödie, sos
wie den Köpfen antiker Dichter und Dante7s, der den Maler der letzten Dinge
inspirirt hatte, Platz gefunden.
s:i1. Im Gefammteindruck ist auch hier die Farbe das am wenigsten Befries
digende. Meisterhaft erscheinen die Modellirung der einzelnen Gestalten, wie
der kühne breite Vortrag überhaupt, aber das Ganze ist nicht harmonisch
genug, der röthliche Fleischton sticht oft scharf hervor. Desto höher steht das
Werk in Zeichnung, Compos1tion und geistigem Gehalt. Was wollen die s0rgs
fältigen, woh1überlegt zusammengestellten Mode1lstudien bei Piero degli Frans
ceschi, Antonio Pollajolo, Signorelli selbst in feinem Pansbilde bedeuten gegen
diese Darstellung sdes Nackten mit ihrer hinreissenden Freiheit und Kühnheit
der Bewegungl Hier sehen wir keine leeren Acte, sondern jede Gestalt ist
von ergreifendem innerem Leben erfüllt. Die Florentiner in ihren grossen
Frescobildern gingen auf anschauliche Wirklichkeit aus, die umbrischen Maler
legten in ihre Andachtsbilder den Ausdruck milder, schwärmerischer Innigkeit
und Frömmigkeit; aber was keine dieser Richtungen bisher gezeigt hatte, offens
harte Signorelli: eine hinreissende religiöse Poesie der Auffassung, für welche
die Bewältigung der Natursormen doch nur das Mittel zum Zwecke war. So
bezeichnet die Cape1le in 0rvieto einen gewaltigen schritt in der Entwicklung
der italienischen Malerei, sie ist der Höhepunkt dessen, was für die Kunst der
Frührenaissance nach einer bestimmten Seite hin zu erreichen war, zeigt aber
ihren Schöpfer zugleich als den unmittelbaren Vorläufer eines der grössten
Meister der Hochrenaissance, des J1JicJzesZxZ;z,;s8Zu, in der Begründung und kühnen
Bewältigung der Form wie in der erhabenen Idealität der Gesinnung.
LMs, Als Luca Ende I 5o4 dies Werk vollendet hatte, stand es als eine
sII;Ik,f,s;, Schöpfung ohne gleichen in 1talien da. Aber als kaum vier Jahre später
Michelangelo und Raphael ihre Wandbilder im Vatican begannen, brach eine
neue Kunstepoche an, und nun erschienen bald die Fresken Signorelli7s nur
noch als die ehrwürdigen Leistungen eines Vorgängers. Er selbst kam noch
in der Zeit Julius II., dann in der ersten Zeit Leo7s X., I5I3, nach Rom;
aber hier war neben den Jüngeren keine Stätte mehr für ihn. Ihm blieb nur
übrig, aus der grossen Welt sich zurückzuziehen und ruhig im bescheidenen
Kreise provinziellen Daseins zu verharren. Für Cortona, wo er der angesehene
Bürger, der geseierte Meister war, für Orte der umliegenden Landschaften
blieb er bis an sein Lebensende beschäftigt.
Die Reihe der Tafelbilder aus dem I6. Jahrhundert eröffnet die Beweinung
Dom. Christi im Dome zu Cortona, früher in santa Margherita, von I5o2., würdevoll
aufgefasst, streng und ruhig in den Einzelmotiven. Ganz anders ist der todte
s, NzM1z,, Christus, von Engeln und Heiligen umgeben, in der kleinen Kirche S. Niccolo
gehalten, durch die Verbindung von tiefem Ernst und milder Innigkeit
eigenthümlich und von wunderbarer Grazie in Ausdruck und Bewegung des
Engels, der den Leichnam hält. Ein Madonnenbild auf der Rückseite ist
schlecht erhalten. Nicht datirt, wie das vorige, ist auch die Madonna aus