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Die
Schulen.
Der Süden.
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Aber bei aller frappanten Naturwahrheit haftet den Gestalten eines an:
fie find in der ihnen einmal angewiesenen Haltung erstarrt, versteinert. Auch
die Köpfe find nüchtern, ohne freieres Leben, und mögen auch viele männliche
Charaktere trotz aller Kälte bedeutend fein, so erfcheinen dafür die Frauens
köpfe auf schlankem Halse und mit hoher Stirn, breiten Backenknoclien uiid
falt geschlossenen Augen schabl0nenhast und im Ausdruck stumpf. Auch in
der Maria aus der Verkündigung, die Piero mit ihrer emporgezogenen Obers
lippe und ihren gesenkten Lidern zu einem Idealtypus erheben wollte, und
deren Kopf noch am meisten Empfindung zeigt, geht der Ausdruck doch
eher in das Hoel1miitliigsVorne11me als in das Erhabene, und die immerhin
edelsstatuarifche Figur erhält hierdurch wie durch das zu Wohlüberlegte in
Stellung und Gebeisde etwas Affectirtes. Bei feinem rein verstandesgemässen
schaffen geht dein Künstler die VVärme und Tiefe der.Empsindung, das Uns
willkürliche und Befeelte der Motive, sogar die Flüsfigkeit in der Compos
fition ab.
Unter den Tafelgemälden Piero7s kommt trotz schlechter Erhaltung die T.s2r2ii,iik1sk.
Taufe Christi in der Nationalgalerie zu London, früher in S. Giovanni Evans i.k2s;2i0u.
ge1ista zu Borgo S. Sepolcro, in F0rrneiibeherrfchung und Meisterschaft im d;s2iilZYiY.l.
Nackten jenen Fresken nahe. Unter späteren Kirchenbildern ist die Himmels
fahrt Marias mit den uiitenstehenden Heiligen Franciscus, Hieronymus, Lodos
vicus und Clara in Santa Chiara zu Borgo S. Sep0lcro, hervorzuheben,
die, nachdem f1e I454 bestellt worden, die Restzah1ung I469 geleistet ward O. S. chiam.i
Von besonderem Werthe find einige Gemälde kleineren Umfangs: St. Hieros
nymus, vor dem ein roth gek1eideter Stifter kniet, zwei kleinere Figuren in
landfchaftlicher Umgebung, in der Akademie zu Venedig; dann einige Bilder
für den Hof zu Urbino. Piero7s Aufenthalt dafelbst fand I469 statt, wie sich Uki2in0.
durch Aus1agenberechnungen des Gziowt;z7zzi Fz272Zj ergibt 2j. In der D0mfacristei ift Dom.
ein Meisterwerk von ihm: die Geisselung Christi vor Pilatus; der Hauptvorgang im
Mittelgrunde unter einer herrlichen Renaifsanceha1le; rechts vorn drei stehende
Porträtfiguren von edlen Pr0portionen und mit schöner Gewandung; das
Ganze ein musterhaft gelöstes perspectivifches Experiment, auch in der Farbe
vortrefflich. Die Porträte des damaligen Herzogs von Urbin0, Federigo
von M0ntefeltre, und feiner Gemahlin Battista Sforza bewahrt die Galerie
der Uffizien: zwei Büsten im Pr0fil, beide kühl im Ausdruck und sie ohne F10kei2z.
feinere Beseelung, aber höchst gewissenhaft in der Durcharbeitung und von wilden.
zartem Schmelz des Vortrags. Allegorifche Triun1p1izüge der beiden, flüchs
tiger gemalt, sind auf den Riickseiten zu sehen.
I11 vielen Beziehungen erinnert Piero7s Stil an denjenigen eines grofsen v.2ksw222d;.
oberitalienischen Zeitgenossen, von dem wir später reden werden, des
JMzJzz2;;s7zzz, nur dass diefer mit dem wissenschaftlichen Sinn auch Phantasie und
Schwung, die Piero fehlten, verband und ihm, wenn auch kaum an Herrschaft
über Form und Perspective, so doch an Geschmack überlegen war.
Setzt nun das doctrinäre Wesen dem künst1erischen Werthe von Piero7s N2chi0iger.