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Drittes Buch.
Abthei1ung.
Erster Abfclmitt.
Eins feiner ,Hauptwerke ist die Geburt Christi aus Santa Chiara in der
Akademie zu Florenz II: das am Boden liegende Kind durch Maria, die Hirten,
Joseph und Engel verehrt CFig. 194J. Charakteristifch ist hier und auch sonst die
Behandlung des nackten Kinderkörperchens, in dem das Plumpe und Feiste,
namentlich an den Gelenken, die als blosse Einschnitte erscheinen, betont ist.
Mit dem Herben und Al1Zuplastischen verbindet sich aber oft, und so auch hier,
eine milde Anmuth der Empfindung, mag diese auch manchmal an das Ges
zierte streifen, wie in dem jungen Hirten, der vorn links Parade steht, ohne
sich um den Vorgang zu kümmern.
Was hier das Hauptmotiv ist, Maria in Verehrung des Kindes, bildet, mits
unter durch Engel oder den Johannesknaben bereichert, den Inhalt zahlreicher
anderer Gemälde, die, einander sehr ähnlich, in den verschiedensten samms
f31,YF;I;lungen vorkommen. Beispiele sind zwei Rundbilder in den Ufsizien und eins
KEH;Jz1F:Yin der Galerie zu Karlsruhe, ferner Gemälde in den Galerien zu London,
DsE;HH2Y Dresden, Berlin. Hier sieht man ausserdem die energische Gestalt der Büsserin
Magdalena mit ältlichen Zügen in schöner Landschaft, aus santa Chiara in
Florenz. Unter den Halbsiguren der sitzenden Madonna mit dem Kinde sind
zwei, auf welchen Maria eine Weintraube hält und dem Kinde eine Beere
TssIIIs reicht, besonders anziehend, eines in der Turiner, ein noch kleineres mit dem
DIssdsUsJ0hannesknaben in der Dresdener Galerie Cunter dem falschen Namen Le0nardoJ,
Von den grösseren Altarbi1dern mit der thronenden Madonna ist eins der
PEk;:5;3 schönsten dasjenige im Dome zu Pistoja mit den Heiligen Johannes der Täufer
und Zeno. VortrefHich sind Kopf und Füsse des ersteren durchgebildet; der
Bischof ist eine echte Charaktersigur; die Marmorarchitektur des Thrones, der
Fussteppich sind vorzüglich ausgeführt. Höher steht nur noch ein Werk, in
dem auch Lorenzo, nach Vasari, an Studium und Fleiss sich selbst übertraf:
die Madonna zwischen Julianus und sNicolaus, einst in S. Maria Maddalena
LIsjIJZ; de, Pazzi, jetzt im Louvre.
D0menico
Ghir1andaio.
Wir fahen die florentiner Malerei lich auf verfchiedenen Wegen weiters
entwickeln. Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts tritt aber ein Meister
hervor, der das Wefentliche cliefer mannigfaltigen Richtungen zufammenfafst:
Vater De2J7zeJ2Z.m To77mfJ, geboren zu Florenz im Jahre I449, gestorben dafelbft
am II. Januar I494. Anfangs Goldfchmied, war er dann ein Schüler des
Ma1ers und Mofaicifien flZeJJu BzzZrZu7JziJszc2xZzi geworden, hatte aber ein offenes
Auge für alle gr0fsen Vorbilder der Horentiner Kunlt, und zwar der vers
gangenen wie der gegenwärtigen. Die Bekanntfchaft mit GiM7u fpricht aus
feinen Schopfungen, und vor Allem ltudirte er die Werke JkJzzJ5zxxio7.v, zu deffen
bedeutendftem Nachfolger in der Wandmalerei er lich entwickelte.
ROMs Die erPren Spuren, die wir von feiner künftlerifc:hen Thätigkeit haben,
fallen in das Jahr I475, in welchem er am 28. November in der Bibliothek
des Vaticans ein Gemälde begann. Gleichzeitig, bis zum 4. Mai I476, find
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