Die Florentiner Schule.
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pyramidal bei vortreftlicher Abwägung der Massen auf, und trotz einiger
Ueberladungen in der Gewandung waltet durchgängig ein feines Liniengefühl.
Vor allem aber sind das schöne Verhältniss der Figuren zum Raum, die Meisters
schaft in der Linienperfpective und die Schönheit des Architektonischen in
Umrahmung und Hintergrund zu bewundern: die Pilaster mit ihrer eleganten
Flächenverzierung, der prächtige Nischenbau des Thrones mit den Flügels
knaben, welche Inschriften und Embleme halten, die Gebäude seitwärts mit
ihren belebten Balkonen. Der Anblick Roms und feiner Denkmä1er übte
mächtigen Einfluss auf den Maler; zu den Jugenderinnerungen BmszWzzzm CeZZ2L
72i7.5 gehörte es, dass er mit Filippino7s Sohn Francesco jenes Meisters herrs
liche Studien und Skizzenbücher mit den Zeichnungen römischer Alterthümer
durchgese11en.
Erfüllt von den römischen Eindrücken unternahm Filippino dann nach der F122ks:2;,
Rückkehr die Ausmalung der Capelle des Filippo Strozzi rechts vom Chor SiL1XTs1T
in santa Maria Novella zu Florenz, ein Werk, das ihm bereits im Jahre Cap.SWmi
I487 aufgetragen worden, aber erst 1502 vollendet ward. Die Hauptwände
Und der Legende der Apostel Johannes und Philippus gewidmet: links Johannes,
welcher als Greis die Drus1ana von den Todten erweckt, darüber der Apostel
im Kessel mit s1edendem Oel, rechts Philippus, der den Drachen bannt, und
darüber feine Kreuzigung. Die Erweckung der Drus1ana ist dramatisch und
ausdrucksvoll, trefflich sind Aufregung und Ergriffenheit in den Urnstehenden
geschildert; genrehafte Episoden, wie ein Kind, das ein Hund anbellt, sind
eingereiht. Auf dem VVunder des Philippus ist ein Knabe, der durch den Gists
hauch des Drachens in Ohnmacht fällt, sehr schön; die Heiden sind durch
0rientalisches Costüm gekennzeichnet. Die clafsischen Eindrücke, die Filippino
aufgenommen, zeigen s1ch in dem Candelaber auf diesem, in der Bahre auf
dem gegenüberstehenden Bilde, in den Architekturen des Hintergrundes, den
fchönen Friesen, welche die Bilder trennen und besonders in der kühn aufs
gebauten Architektur der F ensterwand mit Pilaftern und Säulen, Ges1msen und
Bögen, Engeln und Perf0nificationen von Tugenden und Künsten, grau in grau,
Zum Theil von überraschender Formenschönheit. Filippino strebt nach einem
ganz freien und clafs1schen Stil; aber zu einer Zeit, in der sein genialer Landss
mann und Altersgenosse LZMwxZz2 M: IXi72xzi schon den entscheidenden Schritt
zu dessen Begründung gethan hatte, reicht feine Kraft nicht hin, um sich ganz
von den älteren Traditionen loszulösen. Wo er kühn bewegt fein will, wird
er hastig und unruhig, in der Gewandung oft fchwülstig, in vielen Motiven bizarr
und gequält. Die Wirkung des Ganzen ist daher nicht ungetrübt, aber es ist
ein Denkmal eifrigen,Ringens, dem nur noch die volle Se1bstbeherrschung und
Abklärung fehlt.
lZcz,J2zeZZZJw del 67ms5x21J, geboren 1466, gestorben I524, ein Schüler des
Filippino, ist das Beispiel eines Künstlers, der anfangs grosse Hoffnungen ers ddGaM.
weckte, dann aber in die neue Zeit, die hereinbrach, sich nicht mehr zu schicken
wusste und zuletzt, als er immer weniger beachtet wurde, auch selber den Halt