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Drittes Buch
Abt11ei1u ng.
Erfker Abfc11nitt.
den Mädchen selbst das Wasser ein. Links im Hintergrunde fehen wir ihn
vor dem brennenden Busche die Schuhe ausziehen und darauf vor Gott Vater
knieen; vorn führt er fein Volk aus Aegypten. In allen einzelnen Scenen
waltet die grösste Lebendigkeit und Beweglichkeit. Die starke Geberdensprache,
die wehenden Gewänder, die Anmuth einzelner Frauengestalten, wie der Mäds
chen am Brunnen, sind charakteristisch. Das andere Mosesbild, auf dem freis
lich der Held immer noch dreimal auftritt, macht wenigstens auf den ersten
Anschein den Eindruck einer einheitlichen Composition und enthält trotz ges
wifser Uebertreibungen doch manche echt dramatische Motive. Der Hinters
grund mit antiken Trümmern und einem Abbilde des Constantinsbogens zeugt
von den Eindrücken, die Sandro in Rom empfing Auf dem Bilde der Vers
suchung füllt das Volk beim Opfer im Tempel die Mitte der Composition; auf
der Höhe des Tempels erscheint Christus mit dem Bösen, feitwärts sieht man
die anderen Momente der Versuchung sowie die Engel, die dem Herrn aufs
warten und ihn erquicken. Auch diese Composition hat etwas Wirres und
Hastiges.
F10.kski2,. Florenz besitzt nur ein einziges Wandbild von sandro: den studirenden
0gmraM Augustinus in der Kirche 0gnisanti, eine würdige, schlichte Figur, als Gegens
stück zu einem 1480 entstandenen Hieronymus von Do77imim GJzi7sZzmcZcziz2
Es. u.J gemalt.
sandro7s Bedeutung spricht sich aber noch klarer in feinen Tafelbildern
aus. Ihr tieferer geistiger Zug, das Poetifche, Träumerische, das sie durchs
weht, ist bezeichnend für den Künstler, der ein reiches inneres Leben führte,
mit Dante vertraut war, darauf sich begeistert dem Humanismus in die Arme
warf und zuletzt als eifriger Anhänger Savonarola7s endigte. Eigenartig ist
fein Weibliches Ideal. In seinen Frauenköpfen, den halberwachsenen Engeln,
den Madonnen, geht ein bestimmter, nicht schöner nnd doch anziehender
Typus durch: ein 0val mit scharf markirten Backenkn0chen und eckigem Kinn,
eine scharf ansetzende, nach unten breiter werdende Nase, hochgezogene Brauen,
finnlichsvo1le Lippen. In diese Züge weiss er bald Träumerei, bald eine uns
bestimmte Sehnsucht, bald eine Würde, die an Schwermuth grenzt, zu legen.
Bezeichnend sind zahlreiche Madonnenbilder runden Formates II, in denen
auch fein Geschick, die Composition in diese Raumbedingungen zu fügen, übers
ist. so Maria, die das Magnisicat fchreibt, in den Uffizien 2J. Engel
umzieht halten ihr das Buch und das Tintenfafs vor, in das sie eben die Feder taucht,
andere Engel heben eine Krone über ihrem Haupt empor; auch das Kind in
ihrem Schosse ist nicht in einfacher, kindlicher Naivetät aufgefasst, sondern
blickt begeistert aufwärts und streckt das rechte Händchen nach dem Buche aus
CFig. 185J. Eine Wiederholung besindet sich im Louvre. Ein anderes Rundbild
FITZZZ,,TH in den Uffizien CNr. I289J, auf welchem das Kind in der Linken einen Granats
UkMCHs Zipfel hält und mit der Rechten segnet, zeichnet sich durch die grossartige
Melancholie in den Zügen Marias aus. Auf einem Bilde dieser Gattung im
Pa1. Pitti. Pa1azzo Pitti umarmt das Kind, das auf dem Sch0fse der Mutter steht, diese
U vDiefe Form war feil den R11ndbi1dekn in Terracotta des Luca della Robbia bef0nders in Florenz
Aufnahme gek0mmen:s. Lxwy:x2Zie;K in der Zeitfc11rift für bildende Kunst, IX, S. 74.
2I E. J7äJJZZJs, Denkm. it. M. 1I, Taf. 42.
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