I32
Buch.
Dkittes
Abt11ei1ung.
bungen nach dieser Seite hin zu controliren, und fordert sie zu rastlosem Wetts
eifer auf. Wenn dann bei dem in der Renaissance beliebten Streite, ob die
Plastik oder die Malerei die grössere Kunst sei, meist die Entscheidung zu
Gunsten der letzteren ausfällt, so entspricht das der Anschauung der Epoche.
Die Malerei, wie wir gesehen haben IS. 5J, ist einmal die eigentliche Kunst
der Neuzeit. Die Meister der Renaissance leben in dem Bewusstsein, gerade
in der Malerei ihr ganzes Wissen und Streben entfalten zu können, in ihr vor
keinem alten Vorbilde sich beugen zu müssen. Ja mitunter überwuchert der
malerische Stil auch in anderen Künsten, wo er nicht gerechtfertigt ist. Blieb
auch die Baukunst hiervon noch frei, so ist dem doch die Plastik und besonders
das Relief ausgesetzt, wie GJzZZz7sztz7F Reliefs an seiner letzten Thüre des
florentiner Baptisteriums darthun, entzückend als malerische Erfindung, aber
stilistisch eine Verirrung.
Ux2ivexr21ikiik Was vorzugsweise vor solchen Ausschreitungen wahrt, ist die allgemeine
dekKWmelilKunstbild11ng gerade der grössten Meister, die auf allen Gebieten zu Hause,
oft Bildhauer, Goldschmiede, Maler, Architekten zugleich sind, Stil und Technik
aller dieser Künste beherrschen und zugleich nur Eine Kunst kennen, deren
Aeusserungen im lebendigsten Zusammenhange und in reinster Harmonie unter
einander stehen. Was sie hierzu führt, ist das Streben nach Universalität der
geistigen Ausbildung, welches die schönste Frucht des Humanismus ist.
Hums:isss Seit Petrarca die auch im Mitte1alter nie völlig erloschene Erinnerung
MS. an das clafs1sche Alterthum neu belebt hatte, seit auf das Forschen und Suchen
in den Klosterbibliotheken die Handschriften der Alten wieder an das Licht
traten, und ein Autor nach dem anderen der Vergessenheit entrissen ward, bei
gann in der italienischen Nation eine Bildung zu keimen, für welche das Alters
thum nicht nur die Quelle des Wissens, sondern die Grundlage der gesammten
Weltanschauung war. Im I5. Jahrhundert war sie in immer weitere Kreise
gedrungen, Geistliche und Laien, Papste und Fürsten, selbst die gewa1tthatigsten
kleinen Tyrannen, Reiche und V0rnehme, Kaufherren und Gelehrte, Bürger
und Handwerker, unter diesen die Künstler, hatten an ihr Theil. Zur Kennts
niss der lateinischen Litteratur war nach und nach die der griechischen hins
zugetreten; neben den schriftlichen Denkmälern wurden die künst1erischen
Monumente des Alterthums ein 0bject des Studiums und der Bewunderung.
Die Begeisterung für das Alterthum schmolz mit dem Sinn für alles Grösse
und Schöne zusammen, und das Alterthum bildete für jedes specielle Wissens
schaftliche Studium die Voraussetzung. Aber das Ziel derjenigen Bildung, die
man die humanistische nennt, ist nicht das Studium einzelner Wissenschaften,
sondern die einheitliche Ausbildung alles menschlichen Wissens und Könnens;
das ldeal des Humanismus ist im Sinne des class1schen Alterthums der im
vollsten Gleichgewichte seiner. Kräfte und Fähigkeiten nach allen Seiten hars
monisch entwickelte Mensch.
Darin liegt nun das Eigenthümliche der italienischen Renaissance, dass
auch ihre Kunst vom humanistischen Geiste durchdrungen, dass die künstlerische
KüWeV Entwicklung zugleich eine wissenschaftliche ist. Auch in der germanischen
Welt hat der Aufschwung der Malerei bestimmte wissenschaftliche Vorauss
setzungen. Für die getreue Wiedergabe des Wirklichen ist die Kenntniss der
Form, für die malerische Darstellung die Kenntniss der Perspective Vorbei