Zweites Buch.
Erüer Abfchnitt.
(Fig. 8.) welches, einfacher als die Mehrzahl der campanifchen Bilder, den Kalchas
ebenfalls traurig, den Agamemnon ebenfalls mit verhülltem Haupte darftellt.
Die übrigen Motive find verfchieden von denen des Timanthes 1); aber eine
Ableitung von deffen Bilde, wenn auch auf Umwegen, ift doch anzunehmen.
iiiälrälägff Nach den Befchreibungen jenes Gemäldes, welches zu den meiflbefprochenen
des Alterthums gehörte, können wir auch die Urtheile der alten Schriftfteller
verfiehen, welche die Kunflfertigkeit des Timanthes fehr hoch, noch höher
aber feinen Geift und feine Erfindungsgabe fetzen, indem fie ausdrücklich
hervorheben, dafs man in feinen (und nur in feinen Werken) immer noch
mehr zu fehen glaubte, als wirklich gemalt gewefen. Müffen wir uns ihn daher
-im Allgemeinen als einen Künftler vorftellen, der auf einer ähnlichen Stufe
technifcher Vollendung ftand, wie feine Zeitgenoffen Zeuxis und Parrhafios,
fo dürfen wir ihm doch vielleicht vor diefen feinen Nebenbuhlern geiftige
Vorzüge zufchreiben, die feinen Werken wieder eine höhere fittliche Weihe
verliehen.
Diesäjjffgchc Haben wir die drei zuletzt befprochenen Künftler mit mehr oder weniger
z" sikYon- Recht als dieRepräfentanten einer ionifchen Schule zur Zeit des peloponnefifchen
Krieges hingefiellt, fo haben wir feftere Anhaltspunkte, um von einer gleich-
zeitig und fpäter, im Wefentlichen nach der Beendigung des Krieges und vor
Alexanders des Grofsen Tode, in Sikyon, der peloponnefifchen Stadt, blühenden
dorifchen Schule zu reden.
Sie zuerft kann im vollften Sinne des Wortes auf den Namen einer Schule
Anfpruch machen, denn von den ihr angehörenden Meiüern erfahren wir zuerft,
dafs fie die Bildung von Schülern zu einer Art Lebensaufgabe gemacht und
dafs fie, dem entfprechend, auf akademifche Correctheit, die fie theoretifch und
wiffenfchaftlich befonders mit Hülfe der Mathematik, praktifch aber durch
forgfältiges Naturftudium zu, erreichen fuchten, ein Hauptgewicht gelegt haben.
Gerade deshalb vielleicht hat die neuefte Forfchung fich mit Vorliebe mit
ihr befchäftigt 2), fo dafs wir über ihre Leiftungen ziemlich im Klaren fmd.
Eupompos. Als der Gründer der fikyonifchen Schule gilt Euponzpos, von dem wir
nicht mehr wiffen, als dafs er, gleichzeitig mit Parrhafios und Timanthes, in
Sikyon eines hohen Anfehens genofs, dafs er einen Sieger im gymnifchen
Wettkampfe mit der Palme gemalt hatte, und dafs er die Anficht ausgefprochen,
der angehende Künfller folle in erfter Linie der Natur als der beften Lehr-
Pamphilos, meifterin folgen. Sein Schüler Pawzplzilos aus Makedonien war der Vollender
der Schule. Der Lehrcurfus in feiner Anftalt foll zwölf Jahre betragen haben,
das Lehrgeld ein Talent. Zu feinen Schülern, von denen fpäter die Rede fein
wird, gehörte auch der hochberühmte Apelles. Pamphilos war es, der das
wiffenfchaftliche Studium, befonders dasjenige der Arithmetik und Geometrie,
als unerläfslich für die Maler anfah und einführte; er war es auch, durch deffen
Einflufs der Zeichenunterricht in allen Knabenfchulen Griechenlands eingebür-
I) Brumz: Gefch. der griech. Kiiniiler II. S. 126. Helöig: Unterfuchungen über die cam-
panifche XVandmalerei S. 65, 30, 8x, 326-329. Ein in Catalonien gefundenes Mofaikbiid (abgebildet;
Arch. Ztg_, I869. Taf. I4) fchliefst fich wohl enger an das Gemälde des Timanthes an.
2) Bmmn: a. a. O. S. 130-158; 289-293. Urlichx im Rhein. Mufeum. XVI, 1861.
Wujlnznmz im Rhein, Muf. XXIII, 1868. C. T11. lllirlzaeli: in' der Arch. Ztgz, N. F. VIII, 1875,
S. 31 ff.