Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

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Zweites Buch. 
Erfter Abfchnitt. 
vorzugehen, welche ihm aufser vieler Feinheit und Eleganz in der Darfiellung 
des Geiichtsausdrucks und aufser einem gewiffen theoretifch fpitzfmdigen 
Raflinement in .der Durchbildung der Proportionen, vor allen Dingen die feinfie 
Ausführung der Conturen im Sinne einer täufchend naturwahren Modellirung 
der Körperformen zufchreiben; udßnlhv, fagt Plinius bei diefer Gelegenheit, 
adie Extremität mufs fich in {ich abrunden und fo verlaufen, dafs fie noch 
etwas hinter {ich verheifst und felbft das verräth, was fie verbirgtu. 
Aufserdem fcheint es, dafs Parrhafios fich, wie fowohl aus diefen und 
anderen Aeufserungen der Schriftfteller, als auch aus der Wahl feiner Gegenfiände 
hervorgeht, den allgemeineren Situationen des Zeuxis gegenüber, vor allen 
Dingen auf die Ausbildung pfychologifch intereffanter Momente verlegt habe. 
Seiflgxilfp" Zu feinen Hauptwerken diefer Art gehören: Odyffeus, welcher Wahnfinn 
 heuchelt; der Wettkampf zwifchen Odyffeus und Ajas um die Waffen des 
Achilleus; Philoktetes auf der Infel Lemnos jammernd; Bilder aus der Meleager- 
und Telephos-Sage; endlich die Darfiellung des attifchen Volkes, des GDCmOSn, 
den er nach den Einen in einer einzigen Perfonification, nach den Anderen 
durch verfchiedene Geftalten, jedenfalls aber in pfychologifch fein erwogener 
Combination aller feiner guten und fchlechten Eigenfchaften darfiellte. Da 
Ariftophanes etwa gleichzeitig den perfonificirten Demos auf die Bühne brachte, 
fo war auch der Demos des Parrhafios wohl ficher als eine einzige Perfon 
gebildet. 
Von einzelnen Göttern und Helden wählte er Hermes, Prometheus, He- 
rakles, Thefeus. Mehr genreartig müffen die Darfiellungen einer thrakifchcn 
Amme, die ein Kind auf dem Arme trug, und zweier Knaben gewefen fein, 
von denen der eine die Dummheit, der andere die Dreiftigkeit ihres Alters zu 
perfonificiren fchienen. Aehnlich werden die Darftellungen eines von Tiberius 
hochgefchatzten Oberpriefters der Rhea und eines Priefiers, neben dem ein 
bekränzter Knabe das Weihrauchbecken hielt, aufgefafst werden müffen. Auch 
der berühmte Vorhang, mit deffen Darftellung er den Zeuxis befiegte, und 
die unzüchtigen Bildchen, die er, nach Plinius, zu feiner Erholung zu malen 
pflegte, würden hierhergehören. 
Gesf:2mt_ Erhabenheit, heilige Würde, ethifche Gröfse fcheinen nicht zu den Zielen 
Charakter. des Parrhafios gehört zu haben. Wie die Sitten, fo wurde auch die Kunft 
lockerer und finnlicher. Wenn daher Quintilian berichtet, des Parrhafios Götter- 
und Heldengeftalten feien fo mafsgebend für feine Nachfolger geworden, dafs 
man ihn den Gefetzgeber auf diefem Gebiete genannt habe, fo bezieht fich 
das, wie auch aus dem Zufammenhange hervorgeht, vor allen Dingen nur auf 
die Proportionen und Conturen, die er den Körperformen gegeben. Wie 
übrigens Parrhafios in einigen Dingen den Zeuxis übertroffen, fo fuchte er es 
ihm jedenfalls auch an künftlerifcher Selbftüberhebung und Ueppigkeit des 
Auftretens zuvorzuthun. Im Purpurgewande pflegte er einherzuftolziren, einen 
goldenen Kranz auf dem Haupte, goldene Schnallen an den Sandalen. Sein 
Selbltporträt nannte er Gott Hermes, f1ch felbfi aber pries er in Profa und 
Verfen als einen Spröfsling Apollons und als den Fürften der Kunft; auch 
legte er {ich den Beinamen Habrodiaitos, d. h. der Ueppig-Lebende, bei, ein 
Beiname, den Spötter freilich in Rhabdodiaitos, d. h. der durch feinen Pinfel 
Lebende, verwandelten.
	        
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