Schrift quellen.
Die griechifche und römifche Malerei nach den
lediglich als fymbolifche Andeutung der Localitäthervorgehoben und ifolirt
mit dargeftellt. Auch fie haben die meiften ihrer einzelnen Geitalten noch
durch beigefetzte Narnensinfchriften kenntlich gemacht, eine Sitte, Welche die
antike Malerei niemals völlig aufgegeben. Auch f1e haben noch keine wirk-
liche Licht- und Schattengebung, noch keine feineren Uebergänge von einem
Farbenton zum andern gekannt, fondern {ich im Wefentlichen mit wenigen,
die Natur nur annähernd nachahmenden Localfarben behelfen. Mit welcher
Virtuofität der Meiiier aber innerhalb diefer Grenzen den Pinfel zu führen
verftand, zeigen die Fortfchritte, die von feiner Farbengebung gemeldet
werden, dafs er z. B. den Leichenfreffer Eurynomos bläulich-fchwarz, die Fifche
des Acheron fchattenartig gemalt und dafs man die Kiefel auf dem Grunde
des Waffers habe durchfcheinen fehn. Alte, auf weifsem Wandgrunde
ftehende etrurifche Gemälde und die griechifchen Vafen des ftrengen Stiles
können uns in manchen diefer äufseren Beziehungen vielleicht eine annähernd
richtige Vorfiellung von der Darftellungsweife diefer Schule geben. Weit
überlegen allen Compoiitionen des alten Orientes, waren fie rnuthmafslieh in
einer Pcreng rhythmifchen und frei fymmetrifchen Anordnung der einzelnen
Gruppen und einer ebenfolchen, zugleich reihenweifen Vertheilung über die
ganzen Wandflächen ausgebreitet. Auch in dem Schönheitsgefühl, mit dem
die einzelnen Gefialten wiedergegeben, und in der Freiheit, mit welcher diefelben
alle ihre Bewegungsmotive beherrfcht, fowie in der Gefchmeidigkeit, mit welcher
die in fchönen Falten gebrochenen Gewänder fich den Körperformen ange-
pafst haben, fodafs diefe, wie die Alten es ausdrückten, gleichfam hindurch-
fchienen, haben wir f1e uns den orientalifchen Leiftungen weit überlegen zu
denken, am weiteften überlegen aber in der Beweglichkeit und Ausdrueksfähig-
keit der Gefichtszüge, diejetzt zum erften Male zum Spiegel der Seelenftimmungen
geworden. Daher konnte ein alter Dichter von einer Polyxena des Polygnotos einem:
fagen, in ihren Augenlidern trage fle den ganzen troifchen Krieg; daher konnte digiiißiiäffjq,
Ariftoteles den Gemälden unferes Hauptmeifters nachrühmen, dafs fie Ethos "K213i?
befeffen, d. h. einen fittlich ausgeprägten individuellen Charakter der einzelnen
Helden. Denn ein Heldenmaler war Polygnotos wohl ausfchliefslich; diejenigen
feiner Genoffen aber,we1che eigentliche Gefchichtsbilder gemalt, beileifsigten {ich
auch fchon einer Porträtähnlichkeit der einzelnen dargeftellten Perfonen. Doch
haben wir uns auch diefe als eine ziemlich allgemeine und ideelle zu denken.
Die Idealität, das Streben, den Befchauer durch die Schönheit der Formen,
den Adel der Bewegungen und die Gewalt des geiftigen Ausdrucks der pro-
faifchen Wirklichkeit zu entrücken, war ohne Zweifel ein Grundzug des Stils
diefer Zeitgenoffen des göttlichen Phidias. Brunn hat mit Recht darauf auf-
merkfam gemacht, dafs, während in der Bildhauerei diefer Zeit die geiftig höchfte
Erhabenheit und Schönheit mit der technifch gröfsten Vollendung, der diefe
Kunft fähig ift, Hand in Hand gegangen, in der Malerei des Alterthums diefe
beiden Momente aus einander gefallen. Die Zeit des Polygnotos, welche auf allen
Kuniigebieten nach dem Schönen, Grofsen, Edlen, Erhabenen rang, hat auch In
ihren Gemälden, wenn diefe auch nichts Weiter als colorirte Umrifszeichnungen
gewefen, jene idealen Eigenfchaften in hohem, den bildhauerifchen Leiitungen
vielleicht faft ebenbürtigem Mafse erreicht; die Beherrfchung der technlfchen
Mittel einer farbigen Flächendarftellung hat die griechifche Malerei dagegen