Das
fpiilc
lclnlter
477
zeigen einen Kopftypus von feinem Oval, mit fchmalen Augen und befeeltem
Ausdruck. Die landfchaftliche Scenerie mit hohem Augenpunkt, Goldgrund
{tatt der Luft und fehr dunklen Bäumen ift breit behandelt, die Architekturen
geben eine unzweifelhaft italienifche Gothik in farbigem Marmor wieder, von
befonderer Zartheit fmd die kleinen Geftalten in der Ferne. Die übrigen
Bilder nach Abfclilufs des Alten Tefiamentes rühren von einem Künftler her,
bei welchem italienifcher und franzöfifcher Einflufs {ich mifchen. In einem
Pfalter zu Paris 1), deffen Illumination gröfstentheils franzöfifclle Arbeit aus dem
I3. Jahrhundert ift, tritt ftellenweife, zuerft Blatt 72 verso, eine italienifche
Hand des 14. Jahrhunderts ein, die mitunter aber Anfänge von der erPren
Hand benutzt hat. Auch der berühmte Bücherfreund Herzog Johann von
Berri begnügte {ich nicht immer mit feinen trefflichen franzöfifchen und
{landrifchen Illuminatoren, fondern liefs gelegentlich Italiener für {ich arbeiten,
wie {ein Gebetbuch in Brüffel zeigt 2). Die Randornamentik mit den bekannten
Emblemen des Herzogs ift ganz franzöfifch, eine italienifche Hand zeigt
fich aber in den felbftändigen Bildern, fo gleich zu Anfang in dem knieen-
den Herzoge mit Johannes dem "fiiufer und dem heiligen Andreas vor der
Madonna, die dem Kinde die Bruft reicht; aber der italienifche Kiinftler mufs
im Norden gelebt haben, wie die Anbeqtlemung an dortige Architektur und
die Windmühle im Ilintcrgrundc der Gefangennelmiung Chrifti darthun.
Schlufs.
Dante's Commentator Benvcnuto da Imola fchliefst an der Stelle, die von
Giotto handelt, anfpielend auf jene Verfc Dante's über ihn und Cimabue:
nUnd wohl zu merken: Giotto hält noch immer das Feld, da noch kein
gröfserer Meifter gekommen ift als er, mag er auch zuweilen grofse Irrthümer
in feinen Werken begangen haben Diefer Ausfpruch eines um das Jahr
1376 fchreibenden Autors ift charakteriflifch. Damals hatte man allerdings
das Bewufstfein, dafs Manches in Giotto's Bildern nicht correct fei, und dafs die
Malerei einer noch weitergehenden Ausbildung bedürfe, aber man Rand noch
immer unter dem gewaltigen Eintlufs feines Geiftes, dem kein ebenbürtige-r
gefolgt war. Nachdem feine Vorgänger nur leife von der byzantinifchen
Manier {ich loszulöfen gefucht hatten, hatte mit Giotto eine neue geifiige Auf-
faffung begonnen, die dann auch in Darflellung, Form und Behandlung zur
Neuerung führte. Auf der Stufe, Welche die Malerei mit ihm erreicht hatte,
blieb fie nun aber faft ein Jahrhundert ftehen. Bei feinen Florentiner Nach-
folgern ifi feineeherbe Kraft hie und da gemildert, auch wohl manche ge-
legentliche Bereicherung der Motive in Compofition und Ausdruck gewonnen,
im Wefentlichem aber begnügen fle {ich mit dem Fefthalten an feinem Stile,
der dann unter ihren Händen das Gepräge des Conventionellen annimmt.
Von felbftändigerer Bedeutung lind manche Künftler und Richtungen, die
Giotto unabhänger gegenüberflehen, wie in Florenz Orcagna, der durch
1) Bib.
2) Bibl.
Belgique,
3) A. a.
de
nat. lat. 8846.
de Bourgogne 11060,
XI, Nr. 6.
O. [Wuralori Autiqu.
11061.
it. 1185
Vgl.
III.
Bulletins
Jllarrlml in den
de Pacadälnie
royale