474
Zwei
ihrer Hauptblätter, befonders der Anfangsfeite, beraubt. Einige ausgefchnittene
grofse Initialen, die von dort her {tammen follen, waren von Young Ottley
nach England gebracht worden, fo eine Geburt ]ohannes des Täufers in der
Royal lnflittition zu Liverpool. Der iiebenteTheil des Antiphonarium Noc-
turnum in der Laurentiana," der am Schluffe das Datum der Vollendung, 1370,
enthält, zeigt namentlich in einigen Halbfiguren von Heiligen den feinflen
Nachklang GiottoTchen Stiles.
Stil gänali- Fehlt es nun an geiicherten Arbeiten diefer Künftler, fo find doch Meiller-
hliuiarurßn- werke der Miniaturmalerei aus ihrer Zeit vorhanden, die uns die Höhe der
damaligen Leiflungsfähigkeit beurtheilen laffen. In Compofitionen, Typen,
Zeichnung finden wir in ihnen den Charakter der Giottdfchen oder der Senefer
Schule wieder; in der Ornamentik des Randes und der Initialen tritt ftatt des
kleinen Dornblattinufters der Franzofen gröfseres farbiges Blattwerk in gothi-
fcher Stiliiirung auf, in deffen Mitte fpäter ab und zu einzelne Goldknöpfchen
effectvoll gefetzt werden. Dante hatte mit Recht das Lachende in folchen
Bildern hervorgehoben; Zartheit und graziöfe Heiterkeit wiegen in den Motiven
wie in der Behandlung vor, einer forgfam ausführenden Malerei in Deckfarben
mit fein modellirten Köpfchen, blühender Munterkeit der Farben und har-
monifcher Stimmung zum Goldgrunde. Das Köftlichfle, was uns erhalten blieb,
lllgffalcnxilifl vielleicht das Miffale nebfl Georgslegende im Archive der Canonici von
iaiäfääf St. Peter in Rom, nach Wappen und Stifterbildern für den Cardinal von
Run!" S. Giorgio in Velabro, Giacomo Gaetano Stefaneschi, den Patron Giottds,
gefchrieben. Da hier unter den Heiligen auch der Eremit Petrus de Muronc
(Papft Coeleftin V.) dargeflellt ift, mufs das Buch zwifchen dem Jahre 1327, in
welchem diefer canoniflrt ward, und dem 'I'odesjahre des Stifters, 1343, ent-
Pranden fein. Die Bilder, eine ausführliche Erzählung der Georgslegende fowie
Heilige und biblifche Scenen bei den voraufgehenden und folgenden Gebeten,
haben ihren Platz Prets in den Initialen, manchmal aber greifen die Compofi-
tionen über deren Nahmen in den Rand hinaus (Fig. 138). Die kleinen Figuren
fmd verfländnifsvoll und lebendig aufgefafst, und wahrhaft individuell iit
der Kopf des Cardinals, befonders bei dem Prologe der Legende, wo er als
deren Verfaffer fchreibend am Pulte iitzt.
Gedichu; Das Britifh Mufetirn bewahrt ein für König Robert von Neapel (1309-
CÜZLZÄC" 1343) hergeftelltes Exemplar der lateinifchen Gedichte des Convonevole
Lande" von Prato (MSS. Regia, 6 E IX) mit allegorifchen und antik-mythologifchen
Darftellungen: den {leben freien Künften an der Hippokrene, die der Huf-
fchlag des Pegafus entftehen läfst; den Bildern der Mufen in der Tracht des
I4. jahrhunderts, aber mit edlen Motiven und fein belebten Köpfen. Eine
Boiithius, Handfchrift in der Nationalbibliothek zu Neapel, des Boethius Arithmetica und
Neapel" Muiica, enthält nur drei Bilder zwifchen den beiden Schriften, aber das zweite
gehört zu den beften Leiftungen italienifcher Miniirkunll. In der Mitte thront
die Geflalt der Mllllk, eine fchöne, jugendliche Frau mit der Orgel, über ihr
iil: die Halbfigur Davids zu fehen, feitwärts und unten erfcheinen ein Sänger
und fechs jugendliche Mufikanten im Zeitcoftüm, zum Theil in Miparti-Kleidern.
Bei feiner Sentimentalität des Ausdrucks, zart gebogenen Körpern voll Grazie
der Bewegung, kleinem Munde und wenig geöffneten Augen Pceht diefe Arbeit
der Schule von Siena näher als der florentinifchen.