Das fpäte Mittelalter.
Italien.
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bemerkt, dafs er im Campo Santo gemalt habe. Wir müffen dahingefiellt
fein laffen, ob jene Angabe richtig iit. jedenfalls gehören auch diefe Bilder
fchon einem fpäteren Nachfolger der Giottdfchen Schule an.
Ungleich wichtiger find die Bilder, die (ich nun zunächft an der Südwand Südwand.
anfchliefsen: Der Triumph des Todes und das Jüngite Gericht. Ueber ihren dTriun-iphä
Meifter fehlt es wieder an zuverläffiger Kunde, nur dafs es Orcagna nicht ift, es um"
dem fie Vafari beimifst, geht aus deffen echten Werken hervor, die feinen künft-
lcrifchen Charakter hinreichend feftfiellen Auf dem erfien Bilde (Fig. 136) 2)
enthält die Partie links die Gefchichte von den drei Todten und drei Lebenden,
aber in neuer, eigenthümlicher Auffaffung. Durch eine Felfenfchlucht kommt
ein ftattlicher jagdzug, drei Könige mit ihrem Gefolge zulFufse und zu Rofs;
da Prutzen plötzlich die Thiere, die Reiter entfetzen fich, wenden das Haupt,
halten fich die Nafen zu, denn auf dem Wege vor ihnen ftehen drei offene
Särge mit verweften, von Schlangen urnwunderlen Leichen, an denen zum
Theil noch königliche Infignien kenntlich fmd, und von den Felfen kommt
eben ein greifer Einfiedler herabgeftiegen, um feine Mahnungen über die
Eitelkeit alles Irdifchen an die Mächtigen und Vornehmen zu richten. Darüber,
auf einer Höhe mit Fruchtbäumen und Thieren, weilen feine Gefährten vor
ihrer Klaufe, Ptill lefend, die Hirfchkuh rnelkend, fich des Friedens der Natur
freuend, fo dafs alfo auch hier, wie in der Spanifchen Capelle zu Florenz,
nach der Dominicaner-Scholaftik die vita centemplativa, das befchauliche
Leben in Gott, der vita activa, dem weltlichen Leben, gegenübergeftellt iPr 3).
Ebenfo kommt diefe Dominicanermoral in der Darftellung rechts zur
Erfcheinung, die nur durch die Felfen der Landfchaft von der vorigen
Scene gefondert ift. Der Tod (la morte), ein gewaltiges Weib mit Fleder-
mausflügeln, fauPc mit der Senfe einher. Die Unholdin hat eine grofse Ernte
gehalten, unter ihr liegen die Leichen zu Hauf, Männer und Frauen, Krieger,_
Bürger, Mönche, Papft, Bifchof, König; nur an den Krüppeln und Elenden,
die fie vergebens um Erlöfung anflehen, iPc fie vorbeigeftürmt. Aus den
Mündern der Todten entfliegen ihre Seelen als Kiindergeftalten, werden aber
gleich von Teufeln, fratzenhaften Ungeheuern, ergriffen, fortgezerrt und in die
Schlünde feuerfpeiender Berge geworfen; nur ausnahmsweife kann fich einmal
ein Engel einer Seele bemächtigen. Ueber den Todten wird die l-lauptinfchrift
in italienifchen Verfen von zwei nackten Genien gehalten; wenn man will von
Engeln, diefe würden dann zu den erften Beifpielen jener nackten Kinder-
engel gehören, in welchen bald die Renaiffance die antiken Eroten wiederauf-
leben liefs. Dem Weltleben, das zu den Schrecken des Todes und meift
I) Cwwß und Clwllöüßllß [Frechen fle dem Pielra di Loranzo wegen Üelaereixlflilnnxmlng mit
dem 11591191611 Bilde, dem Leben der Einnedler, Zu. Aber dann müfstc diefes vor allem als Pietrcfs
Werk geücherl fein, was nicht der Fall ifi. Jllilaazeß, Vafal-i, I, 468, W111 Bgynardo Daddi als Meifler
anfehen. Seine Quelle iß ein anonymes lllnnufcript in der Bibl. Magliabechiana mit COÜCCÜHECH über
Kunß; (Cod. Gaddiani, C1. XVIL NT- 17), WC CS B1. 48 verso heißt; wßernardo fu cliscepolo di Giotto
et operö assai in Firenze et in altri luoghi. In Pifa dipinfe la. chiesa di S. Paolo a Ripil CVAIDO 61
in Campo Snnto 10 Infernoß Der Verglach mit Bernardds Reifen Wandbilderxm in S. Croce zeigt,
dafs dies unmöglich iß. Vgl. Oben S- 441-
z) Aufscr bei Lnjizzio auch bei E. Fiirßßr, Denkm. I, Taf 29_3;_
3) Vgl. Ifaltnerx fchon citirtelm Auffatz Zeilfchrift für 151d Kunß XIII, S_ SL