Das
fpiite Mittelalter.
Italien.
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dem Wortfpiele domini canes; neben denfelben, auf der geiftlichen Seite,
{tehen und knieen in ernfler Betrachtung Mönche und Nonnen, Vertreter des
befchaulichen Lebens, der vita contemplativa, auf der weltlichen Seite Männer
-und Frauen in Laientracht oder Pilgergewand, Vertreter der vita activa, des
thätigen Lebens, in welchem gläubiges Streben auch zum Heile führen kann.
Die rechte Hälfte der Unterpartie bezieht {ich auf die Abwehr der Ge-
fahren, welche der Kirche drohen, durch Inquifition und Predigt, die Aemter
der Dominicaner. Dominicus fendet feine Hunde aus, welche die in den Wein-
berg des Herrn gedrungenen Füchfe überfallen; Dominicus predigt den Un-
gehorfamen und Verftockten, Thomas von Aquino den Ketzern und Un-
gläubigen.
Die Darftellung über diefer rechten Hälfte leitet von der {treitenden
Kirche zur triumphirenden über. Die Verknüpfung mit dem Vorhergehenden
wie mit dem Folgenden bilden der Dominicaner, der einem vor ihm Knieenden die
Abfolution ertheilt, und der heilige Dominicus, der verfchiedene Gläubige auf
die Pforte des Paradiefes hinweift. Der Weg zu diefer geht durch die Ueber-
Windung der Sünde, und fo fehen wir weiterhin den umfriedeten Garten, unter
welchem das Hohelied die Kirche darfiellt, mit vier grofsen {itzenden Geitalten:
einem Manne in ernfter Betrachtung, der Verkörperung des befchaulichen
Lebens, dann drei Sinnbildern vom Ueberwinden der Verfuchungen des Teufels,
der NVelt und des Fleifches: einer Frau mit dem Schofshunde, einem Manne
mit dem Falken, einer jungfräulichen Geftalt mit dem Saitenfpiel. Etwas tiefer
fchlingen felige Gefialten ihren Reigen auf der Wiefe; höher holen Knaben die
Granatapfel des Hohen Liedes von den Bäumen; eine lachende Landfchaft
dehnt {ich darüber aus. Links oben iit die Pforte des Paradiefes geöffnet;
zu den innen Verfammelten laffen Petrus und Engel neue Scharen ein, und
in der Spitze des Bogens erfcheint der Herr in der Glorie mit Engeln und
Iivangeliften-Zeichen.
Dem zweiten Bilde fehlt bei der Fülle feiner Geflalten, ihrem oft an- Künftleri.
muthigen, oft charakteriitifchen Gepräge, der reicheren Ausbildung des land- Chfgifm
fchaftlichen und architektonifchen Hintergrundes doch die architektonifche
Ruhe und Gefchloffenheit der Compofition. Defto mehr tritt {ie uns in dem
erften entgegen, das {ich ftilvoll aufbaut, und in welchem die Verbindung
der hoheitvollen Perfoniiicationen mit den charaktervollen, ernften Männern
in gut beobachteten, ungezwungenen Stellungen unter ihnen höchPc eigenthüm-
lichift. Diefe ausgeklügelte Symbolik des Dominicanerthums konnte aller-
dings zu keiner rein künftlerifchen Durchfichtigkeit der Darftellung führen; ftatt
der Sprache des Seelenlebens drängt {ich diejenige rnönchifcher Moral und
pfäffifcher Gelehrfamkeit vor, aber die Künftler, denen die Verwirklichung
des Programmes übertragen war, wufsten felbft einer folchen Aufgabe durch
ihr Compolitionstalent und ihr Stilgefühl Herr zu werden.
Diefes Allegorifiren war aber nicht blofs im Dienfie der kirchlichen äplitifqhe
Scholaiiik Sitte geworden, fonzlern drang ebenfo in die politifchen Gemälde egmmh
ein, mit welchen man häufig Rathhäufer und öffentliche Gebäude fchmückte,
um, ebenfalls in moralifirender Abficht, an Bürgertugend zu erinnern oder das
Gedächtnifs beftirnmter hiftorifcher Ereigniffe feftzuhalten. Von folchen Ar-
beiten ift freilich das Meiite untergegangen, aber es lohnt iich, wenigitcns von
Gefchichte d.
Malerei