Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

Das 
fpäte Mittelalter. 
Italien. 
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Kunft waren, fo hatte eine vom Dominicanerthum geiftig beherrfchte Malerei 
in dem Klofier diefes Ordens zu Florenz, S, Maria Novella, ihren Sitz. Die 
Kunft des Franciscanerthums rief zwar mitunter Allegorien voll feholafiifchen 
Geiftes hervor, aber ihr Hauptgegenfiand blieb doch immer die Legende 
des Heiligen. Den Dominicanern aber, wie Hettner1) neuerdings meifierhaft 
ausgeführt hat, fehlte diefe Poefie der Legende, und der Orden, welcher die 
Inquifition und die Predigt, die Kirchenzucht und die Belehrung des Volkes 
in der Hand hatte, fuchte für jenen Mangel Erfatz in lehrhaften Darftellungen, 
die das Syiiem und die Moral des heiligen Thomas von Aquino, des fcho- 
lafiifchen Dominicaner-Theologen, verherrlichten. Den gröfsten und wichtigiien 
unter allen Verfuchen diefer Art haben wir in den Bildern der Spanifchen 
Capelle vor uns, die bis in ihre Einzelzüge den Schriften des Thomas von 
Aquino entnommen und genau nach einem von den Oberen oder den Gelehrten 
des Klofiers feligefiellten Programme gemalt lind. 
Die füdliche Eingangswand enthält Scenen aus der Legende des heiligen Sganifche 
Dominicus und des Petrus Martyr, die nördliche Altarwand das Leiden Chriiii, zügig;- 
in einer höchfi Hgurenreichen Kreuzigung, der {ich tiefer die Kreugtragung Aiiäilglmu 
und Chriftus in der Vorhölle anfchliefsen; das Gewölbe Petrus auf dem Meere Gewönyi 
wandelnd nebft den Jüngern im Schiffe, ferner Auferitehung, Himmelfahrt und  
Ausgiefsung des Geiftes. Die beiden Hauptbilder haben an den ungetheilten, 
bogenförmig fchliefsenden Wänden weltlich und öftlich ihren Platz und 
Pcellen Kirchenlehre und Kirchenzucht nach den Begriffen des Dominicaner- 
thurns dar?) 
Das Bild an der Weftwand ift aus der Summa theologiae des Thomas von YVeflwancl. 
Aquino gefchöpft. Unten zieht (ich eine Reihe gothifcher Chorftühle mit vier- 
zehn thronenden allegorifchen Geftalten hin, denen zu Füfsen ihre gefchicht- 
liehen Vertreter in gleicher Anzahl iitzen; zunächft die fieben freien Künfte: 
die Grammatik und unter ihr Donatus, die Rhetorik und Cicero, die Dialektik 
und Ariitoteles, die Mufik und Thubalkain, der den Hammer über dem Ambos 
fchwingt, die Aftronomie und Ptolomäus, die Geometrie und Euklid, die Arith- 
metik und Pythagoras. Dann die drei theologifchen Tugenden, Liebe mit 
Pfeil und Bogen, Hoffnung und Glaube, unter ihnen Auguiiinus und zwei 
andere Heilige; ferner Devotio und Oratio, letztere mit einem Chrifiusbilde, 
Andacht und Cultus, die innere und die äufsere Art von Gottesverehrung, unter 
ihnen Hieronymus und Bafilius, zuletzt das göttliche Gefetz mit einem Kirchen- 
modell und das menfchliche Gefetz mit Schwert und Erdkugel, zu ihren Füfsen 
Papft und Kaifer (Fig. 131). Ueber diefen Sitzreihen baut fich eine dritte auf, in 
deren Mitte, unter reich verziertem Thronbaldachin, der heilige Thomas von 
Aquino mit offenem Buche fitzt, während unter ihm, düfier und grollend, die 
drei überwundenen Irrlehrer Averroes, Arius und Sabellius kauern, und auf den 
Bänken feitwärts zehn Gefialten aus dem Alten und Neuen Teftament, Autoren 
heiliger Schriften, zu denen St. Thomas Commentare gefchrieben, zu fehen 
find. Den oberften Raum füllen fchwebende Engel. Der Gegenftand von 
der Domi 
nicaxlerkunmfi: (les 
I) Hermann lfetlnzr: Zur Charaklcriftik der Domir 
für bild. Kunft XIII. 1878, S. I, 81. 
2) Rojini, Tal", I3, I5. Einzelnes bei Fiiyjlrr, Taf. 
Jahrhunderts. 
Zeilfchrift
	        
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