Das
Mittelalter.
fpäte
Italien.
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feierlichen Gröfse und feinem monumentalen Adel der Anordnung. Im Studium
der Form leiftet Orcagna alles, was innerhalb der Grenzen feiner Epoche
möglich war; er ifi beftimmter in den Extremitäten, fo dafs feine Figuren mit
ungewöhnlicher Sicherheit gehen und ftehen, und wagt fogar oft kühne Ver-
kürzungen, wenngleich ohne eigentlich theoretifche Kenntnifs der Perfpective.
Ebenfo thut er in der Schattengebung, durch die er gröfsere Körperlichkeit
gewinnt, einen Schritt vorwärts; vor allem aber beherrfcht er das Seelen-
leben und weifs ebenfo Energie wie Zartheit des Ausdrucks zu erreichen.
Wie er in diefem fich von Giotto unterfcheidet, dem er fonft noch in den
Proportionen und im Stile der Gewandung nahefteht, zeigen die edlen Geftalten
des gekrönten, fceptertragenden Chriftus und der demuthvollen Maria, die
über dem Paradiefe auf Einem Throne fitzen (Fig. 129).
Im Jahre 1357 fchuf Andrea das mit feinem Namen bezeichnete, in fünf "Iafelbilder.
Spitzbogenarcaden gefehloffene Altarbild derfelben Capelle: der in einer
Engelglorie thronende Chriflus überreicht Schlüffel und Buch dem Petrus und
dem Thomas von Aquino, welche vor ihm knien; dem Heilande zunächft
ftehen die gekrönte Maria, die den heiligen Dominicaner empfielt, und Johannes
der Täufer, mehr feitwärts der Erzengel Michael und Katharina, Paulus und
Laurentius. Auf der Predella find Petrus auf dem Meere und zwei legenda-
rifche Scenen zu fehen1). Faft auf gleicher Stufe fteht ein für S. Pietro
Maggiore ausgeführtes Altarwerk in der Nationalgalerie zu London: die
Krönung der Jungfrau durch Chrifius zwifchen verehrenden und muficirenden
Engeln; auf den Flügeln 48 knieende Heilige; die Dreifaltigkeit und fechs
Scenen aus den Evangelien in den ehemaligen Krönungen der Tafel. In
Folge von Refiauration ift die harmonifche Klarheit der Farbe, welche bei
dem vorigen Bilde wohlthut, hier freilich verloren. Seit 1358 war Andrea
auch bei den Mofaiken an der Front des Domes in Orvieto befchäftigt, aber
mit minderem Erfolge, weil öffentliche Aufträge in der Heimath ihn hinderten,
fich diefer neuen ehrenvollen Aufgabe anhaltend zu widmen. Jetzt find alle
lVlofaiken dafelbft erneuert.
In naher perfönlicher Beziehung zu ihm ftand Fmzzcesco Traini aus Pifa, Errufcesco
der zwar nicht, wie Vafari will, fein Schüler gewefen fein kann, aber als im"
fertiger Meifter um 1349, als er in Florenz war, feinen Sitz in Orcagna's Werk-
flatt aufgefchlagen hatte. Auch ihm nel, wie diefem im Altarbilde der Cappella
Strozzi, die Gloriücation des Dominicanerthums zu. In S. Caterina zu Pifa
enthält ein Altarbild den berühmten Theologen des Ordens, St. Thomas von
Aquino, in der Glorie mit offenem Buche, feitivärts von ihm, kleiner, Plato
und Ariftoteles, die ihm ihre Bücher entgegenhalten. Dem Heiligen zu Füfsen
liegt Averroes, geblendet durch einen Strahl aus dem Buche deffelben, feit-
wärts, ganz klein, fiehen Scharen verehrender und bewundernder Dominicaner.
und oben fchliefsen Chrifius in der Glorie, Mofes, Paulus und die Evangeliflen
die Compoütion 2). Die Anordnung ift architektonifch ftreng, durch den
Wechfel des Mafsftabes in den Figuren alterthümlich; die Behandlung bleibt
I) E. Fözßer, Denkm. it. M. Taf. 34.
2) Roßni Taf. 20. E. Fiiaßer Taf. 33. Vgl. über den Meifter
dite intorno alla vita e ai dipinti di Fr. Traini etc. Pifa 1846.
F ramesra Bonuizzi :
Memorie