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Buch.
Zweites
III.
Periode.
Vierter Abfchnitt.
gewaltfame Motive, Ueberhäufung und zu ftarke Betonung der Nebenflguren
vermied und vorzugsweife auf Klarheit und Schlichtheit der Darftellung aus-
ging, fcheinen Taddeds Compofitionen bei ihm in eine reinere Sphäre erhoben.
Andererfeits wird er aber durch feine Weichheit und Milde oft zu unent-
fchieden in der Handlung. Bei der Erweckung des Lazarus auf der andern
Wand ift das alte Motiv verlaffen; Lazarus fteigt, nach vorn gerichtet, aus
einem Sarkophage in die Höhe, während Chriftus hinter dem Sarkophage {teht
und dadurch, dafs die zweite Hauptfigur in keine Beziehung zu ihm gefetzt ift,
völlig nichtsfagend bleibt. Aus Mangel an dramatifchem Sinne fehlug alfo
diefes Experiment Giovannfs, etwas Neues zu geben, fehl. Er war kein felb-
Pcändiger, erfmdender Geift.
Agnolo Ein dritter Schüler des Taddeo ift fein Sohn Agnolo Gadzlz", der 1396 in
Caddh hohem Alter Pcarb. Obwohl er fich im wefentlichen in den Bahnen feines
Vaters bewegte, zeigt er doch auch fchon einen Anlauf zu jener Wandlung
des Stils, die dann erft im 15. Jahrhundert wirklich zum Durchbrüche kam.
Seine wichtigften Fresken find diejenigen der Cappella della Cintola (des hei-
Prato. ligen Gürtels) im Dome zu Prato: die Legende Marias, ihre Himmelfahrt, bei
der fie dem Thomas ihren Gürtel reicht, und die Auffindung diefer Reliquie
durch einen Bürger von Prato, Michele de' Dagomari; ferner die Legende von
Conftantin, der heiligen Helena und der Auffindung des Kreuzes im Chore
SirlCroce, von S. Croce zu Florenz 1). Die Farbenheiterkeit, welche einft diefe Bilder
mm" ausgezeichnet haben mag, iPc jetzt zu fehr getrübt. Manche ftattliche Gruppen
und Figuren, viele frifche und gefällige Züge fmd wahrnehmbar, daneben aber
auch haftige und conventionelle Einzelheiten. Namentlich werden die land-
fchaftlichen Hintergründe oft aufdringlich. Der alte Stil fcheint bei Agnolo
fchon in Auflöfung begriffen, deffen Strenge und Einfachheit find verloren.
Agnolo's Tafelbild aus S. Pancrazio, jetzt in der Akademie zu Florenz, eine
Madonna mit fechs Heiligen und Preclellenbildern, wirkt viel günftiger; die
Ausführung ift fein, und die Gemeffenheit der architektonifchen Umrahmung,
die jede einzelne Geilalt in ihr befonderes Feld einfchliefst, war ein Zwang,
der dem Maler zuftattenkam.
Omngm Als ein felbftändiger Geift, der durch Studium und Energie der Ver-
ilachung in der Nachfolgerfchaft Giotto's vorbeugt, ficht Andrea d? Czbne mit
dem Beinamen Ormgna oder Awagnolo da. Er war eine univerfelle Natur,
in erfler Linie Maler, zugleich aber auch Bildhauer, Architekt und Poet. In
der Malerei arbeitete er vielfach mit feinen Bruder Narrlo (Lionardo) zufammen.
Diefer Itarb 1365, Andrea wahrfcheinlich 1368. Sein Hauptwerk in der Wand-
malerei find die drei grofsen Bilder: jüngftes Gericht, Hölle 2) und Paradies
Cnp.Stro_zzi, in der Cappella Strozzi am Querhaufe von S. Maria Novella. Die in Regionen
iiliollläi: getheilte Hölle ift vielleicht weniger ein Bild als eine graphifche Darflellung
im Anfehlufs an Dante; das Jüngfte Gericht ift durch das Mittelfenfter in feiner
Compofition fehr beengt; defto herrlicher aber iit das Paradies mit feiner
I) Seine Hand ift endlich auch in den neu aufgedeckten Fresken der Cappella Caüellani in S.
Croce, die Vafari dem Sfzzminzz beimafs, wiederzuerkennen: Scenen aus der Legende der beiden
Johannes, des heiligen Nicolaus, Antonius des Eremiten u. f. w. Vgl. Crowe und Cavalcafelle II,
S. 447, Nachtrag.
2) Agincour! Taf. 119.