Buch.
Erßes
Kapitel.
Zweites
Naturfarbe kann es {ich auch hier handeln, und fchwerlich ifi es erlaubt, {ich
z. B. die von den Affyrern wirklich getragenen Gewänder in fo einfachen und
matten Farben vorzuftellen, wi_e lie auf diefen Ziegelgemälden erfcheinen.
Affyrifche Um uns die geringen Bruchftücke affyrifcher Gemälde im Geifle zu ergänzen,
Reliefs" uns ihre Compoiition und ihre Zufammenhänge vorzuftellen, werden wir gut
thun, einen Blick auf die gleichzeitigen plafiifchen Werke, auf jene grofsen
Relieftafeln zu werfen, welche wenigftens in ihrer Formengebung, wenn auch
leider nicht in ihrer urfpriinglichen, vollftändigen, aber milden Bemalung,
der Länge der Zeit erfolgreicher widerftanden haben l).
rnhal, der- Die Gegenftände, welche hier dargeftellt iind, lind wohl fämrntlich dem
felbem Leben des Königs entnommen. Während aber in den ägyptifchen Darftellungen
die religiöfen Beziehungen des Königs zu den Göttern eine hochwichtige Rolle
fpielen, find die Scenen, Welche die Affyrer der Verewigung durch die Kunfi
werth hielten, fafi; durchgängig weltlicher Natur. Der afiatifche Despotismus
erftickt die hierarchifchen Gelüfte. Grofse Ceremonienreliefs oder Jagdfcenen
oder Kriegsbilder, Beutezüge und Triumphgelage füllen die Wände. Abgefehen
von den vielgeftaltigen mythifchen oder fymbolifchen Ungeheuern, iit die Nach-
Ihr Slil. ahmung der Natur offenbar die Lofung der Affyrer. Wenn auch manche Einzel-
heiten, wie die Bäume, noch conventioneller erfcheinen, als in der ägyptifchen
Kunft, fo iii im Allgemeinen von einer fo ftrengen Stilifirung, wie dort, keine
Rede. Zwar haften auch hier die ruhenden Gefialten mit beiden im Profil vor
einander gefiellten Sohlen am Boden; zwar tritt auch hier die Vorderanficht des
Bruftkaiiens noch oft, wenngleich nicht fo durchgängig, wie in Aegypten, in
einen ungelöften Gegenfatz zum Profil des Kopfes und der Beine; zwar finden
fich auch hier von individueller und geiftiger Belebung der Gefichtszüge kaum
Spuren, aber das Alles ift nicht durch einen Kanon geregelt. Die Convention
beruht hier nicht auf hierarchifcher Vorfchrift, fondern auf den natürlichen
Grenzen des Darftellungsvermögens.
Daher fpricht fich der kurze, ftarke, muskulöfe, oft allzufleifchige Typus
der wirklichen affyrifchen Geftalten, der femitifche Typus ihres Kopfes mit
der Habichtsnafe, den Harken Lippen, den vollen Wangen, den fchweren,
wulliigen Augenlidern und bufchigen, hochgewölbten Brauen auch in der Kunft
diefer Gegenden deutlich aus. Dabei ifi ein Fortfchritt von dem alterthümlich
{irengen und unbeholfenen Stile, der die hervortretenden Beinmuskeln faft wie
eine conventionelle Leder-Riemen-Stickerei auflegt, zu einer an die griechifche
Kunft erinnernden Freiheit und Natürlichkeit hier innerhalb weniger Jahr-
Naturalis- hunderte deutlich bemerkbar. In den heften Werken, befonders in den Thier-
"m darftellungen fpricht {ich eine fo lebendige Naturbeobachtung bei einem fo
realifiifchen Darfiellungsvermögen aus, dafs Oppert die Affyrer geradezu die
Holländer des Alterthums genannt hat.
Vom Standpunkte der Gefchichte der Malerei aus wird uns bei der Be-
trachtung der Reliefs befonders noch die Frage intereffiren, wie fich in den
gröfstenCompoiitionen die. Gruppirung des Ganzen, befonders im Zufammen-
hange mit dem Hintergrunde geüaltet habe.
I)
Lülzke:
Ausführliche und lebendige Schilderungen
Gefch. der Plaftik (2. Aufl. 1871).
affyrifchen Reliefdarüellungen
finden