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Zweites Buch,
Periode.
Vierter
Abfchnitt.
dem Fürfien das Haupt des Johannes; links fteht "der Geiger, eine der edelften
Figuren, die Giotto gefchaffen hat, rechts bewegt fich Herodias in rhythmifchem
Schritte nach der Mufik, aber die zwei herrlichen Frauengeftalten, die Arm in
Arm hinter ihr ftehen, achten nicht mehr auf den Tanz, fondern find durch
den Anblick des abgefchlagenen Hauptes ergriffen. Die alterthümliche Kunft
vereinigte die tanzende Herodias und die Herodias mit dem I-Iaupte in dem-
felben Gemälde. Giotto erhebt {ich über diefen Zwiefpalt und diefes Nach-
einander in der Handlung. Bei ihm fcheint Herodias fortgetanzt zu haben
und gerade innezuhalten, als der Beauftragte mit dem Kopfe hereintritt. Eben-
fo wie durch die meiiterhaften einzelnen Züge wirkt diefe Scene durch ihre
Kraft des Ausdrucks und das einheitliche Ineinandergreifen aller Motive. In
einem Nebenraume kniet Herodias mit dem Haupte vor ihrer Mutter. An
der Wand gegenüber verdient die grofsartig doch höchft mafsvoll dargeftellte
Erweckung der Drufiana durch den Apofiel Johannes den Preis. i)
lhfelbilder. Die Zahl von Giotto's echten Tafelbildern ift klein. Aufser dem Altar
in St. Peter zu Rom ifi das fünftheilige Altarbild aus der Cappella Baroncelli
s. Croce. in S. Croce, jetzt in der Cappella del Noviziato neben der Sacrifiei, auch durch
Infchrift beglaubigt, hervorzuheben: die Krönung der Maria nebft verehrenden
Engeln, Heiligen und altteftamentarifchen Geftaltem?) im Mafsftabe klein,
mit vielen aufserordentlich feinen Köpfchen, die aber gegen die Goldnimben
fchwer zur Geltung kommen. Eine thronende Madonna mit Engeln und Hei-
Allillgjlaerriilää ligen aus Ognifanti, jetzt in der Akademie zu Florenz, zeigt das Streben, etwas
von der alten Idealität feflzuhalten, und ifi im Kopfe Marias doch menfchlicher
als die Typen Cimabue's. Noch fchöner find das Chrifiuskind und die Engel,
und die Gefichter find meifl trefflich modellirt. Ferner {ind zwei fchon von Vafari
s. Marco. angeführte grofse Crucifixe in S. Marco zu Florenz, innen über dem Portale,
Ognifanti. und im Querhaufe der Kirche Ognifanti zu nennen; dann eine Madonna aus
hlniland. der Kirche degli Angeli bei Bologna, jetzt in der Brera in Mailand, mit
Gi0tto's Bezeichnung. Flügelbilder und Predella, jetzt in der Pinakothek zu
Bologna, fcheinen aber nur Arbeiten aus der Schule zu fein. Ein für S. Fran-
cesco in Pifa gemaltes Bild, die Stigmatifation des heiligen Franciscus, auf
Louvre. der Predella drei Scenen aus feiner Legende, befindet {ich im Louvre, hat
aber fehr durch Reftauration gelitten. Die kleinen Scenen aus der Gefchichte
Chrifii und des heiligen Franciscus, welche einft die Sacrifteifchränke in Sta.
Bilder aus Croce zu Florenz täfelten und jetzt gröfstentheils {ich in der Akademie dafelbft
bßroce" befinden, während zwei in die Münchener Pinakothek, zwei andere in das
Berliner Mufeum gewandert find, mögen mit Schülerhilfe vollendet fein und
zeigen ihrer decorativen Befiimmung gemäfs eine geringere Ausführung, aber
volle Sicherheit der Farbenwirkung und eine auch in beengtem Raume treffiiche
Compolition, die überall mit wenigen Mitteln ihr Ziel erreicht 3).
Giom, und Die Verfchiedenheit zwifchen dem Bildhauer Giovanni Pifano und feinem
Vater Niccola ift gröfser als die zwifchen Cimabue und Giotto. Auf Niccolzfs
fchlichten, vom Studium des Alterthums beftimmten Stil folgte bei Giovanni
I) E. Fihßer, Denkmale it. M., I, Taf. 26.
2) Ungenügend bei Aginrourt, Taf. 114.
3) Proben bei Agincourt Taf. 114.