Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

Das 
fpäte Mittelalter. 
Italien. 
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In die Zeit nach Vollendung der Arena-Capelle fallen dann auch wohl Amri, 
Gi0tto's Malereien in der Unterkirche zu Affifi, die Vafari allerdings in einem Limcrkuci 
Athem mit den früheren Bildern in der Oberkirche befchreibt. Das Kreuz- 
gewölbe über der Vierung, alfo an der Stelle, die gerade über dem Grabe Decken- 
des Ordensflifters liegt, enthält in einer der vier Kappen den heiligen Fran- wider" 
ciscus in der Herrlichkeit, im Diaconengewande, da er in feiner Demuth die 
höheren Weihen abgelehnt, unter einem Baldachin thronend und von muü- 
cirenden und Palmen tragenden Engeln umgeben; in den drei übrigen die  
Allegorien der Ordensgelübde: Armuth, Keufchheit, Gehorfam. 
Das Hauptmotiv der erften unter diefen Compolltionen iPc die Vermählung Armum 
des heiligen Franciscus mit der Armuth, alfo daffelbe Bild, das Dante im elften 
Gefange des Paradiefes anwendet:  
Der, jung noch, von dem eignen Vater {ich 
Ein Weib erflritt, vor dem, wie vor dem Tode, 
Der Freuden Thor für immer {ich verfchliefst, 
Und der {ich vor dem geiPdichen Gericht 
Und in des Vaters Beifein ihr vermählte 
Und dann von Tag zu Tag fie ftärker liebte. 
Aber was bei dem Dichter eine Metapher, eine bildliche Sprachfigur ift, 
wird bei dem Maler grob finnlich, läfst eine lehrhafte Tendenz, wie {ie dem 
KunPrwerke nicht zukommt, erkennen und ift ohne dabeigefchriebene Er- 
klärungen nicht ganz verftändlich. In zerlumptem Aufzuge und getlicktem  
Gewande, mit den blofsen Füfsen in Dornen tretend, während hinter ihr ein 
Rofenbufch auffpriefst, Prreckt die Armuth dem Franciscus ihren Finger ent- 
gegen, um von ihm den Ehering zu empfangen, während Chriftus die Ver- 
mählung der beiden vollzieht, und Engelfcharen der Feier beiwohnen (Fig. 126). 
Seitwärts fleht man den Glauben, der der Armuth den Ring reicht, und die 
Liebe, die ein Herz hält. Vorn bellt ein Hund die Armuth an, und Kinder 
bedrohen {ie mit Stecken und Steinwurf, um die Verachtung der Welt zu be- 
zeichnen. Aber der Vorgang ergreift auch die Herzen und treibt fie zum 
Nacheifern. Von den Seitengruppen zeigt eine, wie zwei Männer mit dem 
jagdfalkenund dem Geldbeutel aus ihrer Weltluft und Habfucht aufgerüttelt  
werden, und die andere, wie ein Jüngling auf Mahnung des Engels einem 
Bettler feinen Mantel gibt. Diefen Mantel, fowie ein Kirchenmodell, die Stiftung 
jener anderen, tragen im oberen Abfchlufs des Bildes Engel zu Gott empor. 
 Die Keufchheit, umfchwebt von Engeln, die ihr Kreuz und Krone dar- Keufchhei, 
reichen, erfcheint im Obergefchofs ihrer Burg, die fvon Reinheit und Tapferkeit 
bewacht wird. Unten fchliefsen fich Gruppen an, die auf Reinigung und Kampf 
Bezug häben- LiHkS Werden Nßnne, Mönch und Laie durch S. Franciscus 
aufgenommen, hinter welchem ein Krieger mit der Geifsel bereit fteht; rechts 
I) Srlmaajiz ifl der Anficht, dafs Giotto offenbar von den Verfen Dante's infpirirt worden, und dafs 
die Bilder daher bald nach dem Bekanntwerden der göttlichen Komödie, etwa 1314-1322, entftanden 
feien. Aber diefes Gleichuifs War keine Erfindung Dante's, fondern fchon von dem heiligen Fran- 
ciscus felbß; gebraucht, wie Schnaafe felbß S. 29, unter Berufung auf K. Ifafe, Franz v. Affifi, 
Leipzig 1856, S. 39, ausführt. Giotto fchuf felbfiverfländlich alle (liefe Allegorien nach einem von 
den Oberen des Klollers feßgeftellten Programme.
	        
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