Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

fpäte Mittelalter. 
Das 
Italien. 
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der Verehrung von Seiten der Armen fowie Vifionen, folgt die dramatifche 
Scene, in welcher Franz fich von feinem Vater Pier Bernardone fcheidet; als 
diefer ihn verklagt, weil er ihm Waaren entwendet und das Geld für einen Kirchen- 
bau ausgegeben, legt der Jüngling ihm feine Kleider zu Füfsen und wird, nackt 
und blofs, von dem Bifchofe durch feinen Mantel verhüllt. Dann ift dargeftellt, 
wie Papft Innocenz III. im Traume den unfcheinbaren Bruder fieht, der den wan- 
kenden Lateran fiützt, und wie er darauf die Satzungen feines Ordens beilätigt. 
Es folgen Wunder und Geiichte, das Austreiben von Teufeln, die Feuerprobe 
vor dem Sultan, die wunderbare Erweckung einer Quelle, die Predigt vor den 
Vögeln, fpäter die Predigt vor dem Papfte, die Stigmatifatibn: Franciscus, dem 
auf einfamem Bergesgipfel ein Seraph erfcheint und die Wundenmale Chrifti 
einprägt, endlich fein Tod, feine Heiligfprechung und die Wunder, die fpäter 
von ihm ausgehen. Die Legende hat ergreifende, poetifche und echt dra- 
matifche Züge, die dem Maler entgegenkommen, ift aber auch von Sentimen- 
talität durchdrungen und nicht frei von abitofsenden, feltfamen und bildwidrigen 
Epifoden. Doch der Stoff war jedenfalls ein neuer, noch nicht durch jahr- 
hundertelange Tradition feftgeftellter, der Künftler hatte fich erft in ihm zu- 
rechtzuiinden. Mit Gehilfen wird Giotto gemalt haben, obwohl jetzt eine Kritik  
über die ausführenden Hände bei dem fchlechten Zuftande der Bilder kaum noch 
möglich ift. Daran aber zu zweifeln, dafs er der Erfinder und Unternehmer 
des Ganzen war, liegt kein Grund vor 1). Der günftigere oder minder be- 
friedigende Eindruck der einzelnen Bilder wird wefentlich durch die Art 
beftimmt, auf welche Giott0's Naturell mit den verfchiedenen Gegenftänden 
fertig werden konnte. Nicht blofs in den fpäteren, auch in vielen früheren 
Bildern diefer Folge find Typen und Züge wahrzunehmen, die mit feinen ge- 
ficherten Hauptwerken in der Arena zu Padua übereinftimmen, vor allem die 
eigenthümliche dramatifche Gefchloffenheit und die draftifchen Einzelzüge. Dahin 
gehört namentlich das fünfte Bild, die Auseinanderfetzung mit dem Vater. Bei 
dem 14., dem Wunder der Quelle, rühmt Vafari mit Recht den flaunenswerth 
lebendigen Ausdruck des Duriles in dem Manne, der {ich niederbeugt um zu 
trinken. Die lebendigfie geiftige Spannung zeigt das 17., die Predigt vor 
Honorius III. und feinen Cardinälen.  
An diefe Arbeiten fchliefsen fich diejenigen in Rom, wo Giotto in den Giotto in 
letzten Jahren des 13. Jahrhunderts thätig war. Die Bilder in der Tribuna der Rom" 
alten Peterskirche, die Vafari ihm zufchreibt, find zu Grunde gegangen. Aber 
aus einem Nekrologium im Vaticanifchen Archive 2) geht hervor, dafs Cardinal 
Giacomo Gaetano Stefanesichi, Bruder jenes Bertholdus, den wir als 
Befteller der Mofaiken CavallinYs kennen lernten, von Giotto im Jahre 1298 
die MOTRik der vNaViCCllaK, die Jünger im Schiffe und Petrus auf dem Meere Mofaik de!" 
wandelnd, ausführen liefs, die heute in folcher Erneuerung, dafs fie nur den Navwcna" 
Werth einer charakterlofen Copie hat, in der Vorhalle der Peterskirche vor- 
I) Dies im Gegenfatze zu Crowe u. Ca-zzalvnfelle I. S. 181 f., in Uebereinftimmung mit Dablvcrl 
S. 8.  Glzibcrtz": Notiz: wDipinse nella chiesa di Assisi, ne1l' ordine de' Frati Minori, quasi tutla. 
lZI. parte di sottoa geht offenbar auf diefc untere Reihe in der Oberkirche, nicht aber, wie man ange- 
nommen, auf die Unterkirche.  Ungenügende Proben bei Agimazzrt Taf. II6.  Farbendrucke der 
Arundel Society von einzelnen Bildern.  
2) Ausführlich bei ßaldinzzcci, zu Anfang der Biographie Giottos.
	        
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