Mittel
Italien
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wurde diefe Periode furchtbarer politifcher Zerrüttung doch eine Zeit des Auf-
fchwunges in dem Culturleben des Volkes.
Damals, als die Volksfprache {ich über die Dialekte hinaus erhob und ihre Auffchyvrmg
eigene Litteratur begründete, als Dante den Kämpfen, Gefinnungen und Vor- deiäggigät"
ftellungen feiner Zeit grofsartigen Ausdruck verlieh, Petrarca, als Gelehrter
noch gröfser denn als Dichter, an der Spitze derjenigen ftand, welche die
Menfchhcit zu den Quellen antiker Bildung zurückführten, als die Pflege der
Wiffenfchaft an den italienifchen Univerfitäten ihre Heimftätte fand, begann
auch ein neues, felbltändiges Leben in der bildenden Kunft, die von nun an
ganz vom Volksgeifte getragen wurde. Es wurzelte nicht in allen Theilen Boden der
des Landes. Süditalien, das fchlaff unter dem Fufse der franzöflfchen Ufur- Kunm
patoren lag, nahm nicht mehr felbftändig an der Kunftentwicklung Theil; nur Der Süden.
in der Zeit des kuniiliebenden Königs Robert entftanden hier manche be-
deutende Leiftungen durch herberufene Künfiler aus fernen Gegenden. In Rom Rom.
wurde in der Zeit Bonifacius, VIII. die Kunft gepüegt; waren die einheimifchen
Kräfte nicht zahlreich, fo wurden Meifter erfien Ranges aus anderen Orten
herangezogen, und noch einmal fchien die ewige Stadt ein Centralpunkt italie-
nifchen Lebens werden zu follen; bald darauf fank {ie aber, vom Papftthum
verlaffen, wieder in gänzliche Zerrüttung zurück. Die wahre I-Ieimath der
Kunft waren die mittelitalienifchen, befonders toscanifchen Freiftaaten, in erfter Toscnua.
Linie Florenz, demnächft Siena, neben denen aber auch kleinere Städte {ich
kräftig regten. Trotz der. Parteikämpfe hatte ein glänzender materieller Auf-
fchwung begonnen. Sorgfältige Verwaltung und geordnetes Steuerwefen
gewährten die Mittel für die Kunftförderung, zu welcher der glühende ftädtifche
Patriotismus begeifterte. Der niedere Bürgerftand hatte flCh emporgearbeitet,
Gewerbe und Bankgefchäfte blühten, dem Wohlftailde entfprach eine ge-
fteigerte Ueppigkeit in Tracht und Sitte, zugleich aber auch der edelfte künft-
lerifche Sinn, der durch alle Kreife der Bürgerfchaft drang. Demnächft waren
die Städte Norditaliens ein günftiger Boden für die Kunft. Mochten hier auch, Oberitaliexl.
wie in Verona und Padua, die Parteikämpfe zur Unterwerfung unter einen
kriegserprobten Herrn geführt haben, fo förderte doch diefer meiftens fchon
aus eigenem Intereffe das Gedeihen der Bürgerfchaft, und der {tädtifche
Patriotismus trug auch, als er politifch ohnmächtig geworden, noch immer
in idealer Hinficht feine Frucht.
War nun aber auch die italienifche Malerei vorzugsweife an einzelne Sitze
geknüpft, fo redete fie doch eine dem ganzen Volke verftändliche Sprache,
die der Verkehr der Landfchaften und Städte unter {ich fowie das Wandern
der Künftler in die verfchiedenften Theile Italiens trugen. Die eigenthümliche
Kunftbegabung der Italiener, ihre Genufsfähigkeit, ihre Selbfiändigkeit der Eäinlräwliilälrll:
Autorität gegenüber, ihre Fähigkeit, das Geiftige in der finnlichen Gefialt zu begabung.
faffen, kündigten damals zuerft fich nachdrücklich an und leiteten eine natio-
nale Kunftentwicklung ein, die dann durch drei Jahrhunderte fortdauerte.
Cinaabue
und
Duccio.
in
Seit der Mitte des
der Kunfngefchichte
13 Jahrhunderts nimmt Toscana feine neue Stellung Unlljvfhwung
von oscana
Italiens ein. Von den Freifiädten dxefer Landfchaft ausgehend.