VIERTER
ABSCHNITT.
Italien.
l ie italienifche Malerei verlangt auch in cliefer Periode eine gefonderte
l Betrachtung, da fie in Technik und Auffaffung andere NVege ging.
1. Aber nachdem Italien während des frühen und des hohen Mittelalters
gegen die nördlichen Länder zurückgeblieben war und {ich nur unter byzan-
tinifchem Einflufs über primitive Rohheit erhoben hatte, überflugelte es im
fpäten Mittelalter die übrigen Länder. Die Malerei fand von vornherein
günftigere Bedingungen vor. Da hier die Gothik niemals confequent durch- Gtinnigcrc
gedrungen war, fah fich die Malerei auch nicht durch die Schranken eingeengt, dingääfäuh
welche das gothifche Syfiem ihr fetzte. Der franzöfifche Stil trat in Italien
nur in einer Umgeflaltung auf, welche ihn dem traditionellen architektonifchen
Gefchmacke des Landes anbequemte. Auch wo Conftruction und Einzelformen
der Gothik aufgenommen wurden, blieb die italienifche Architektur jener ein-
feitigen Ausbildung der Höhenrichtung fern, welche der Grundfatz des gothifchen
Stiles ifl, und behielt die alte Vorliebe für weite Raumverhältniffe bei. Ebenfo
fehlte hier die Neigung, das Bauwerk völlig in verticale architektonifche Gliede-
rung aufzulöfen, die ruhige Wandfläche zu verbannen und allen Raum zwifchen
ljfeilern und Gewölben durch grofse Fenfter zu füllen, welche hier bei dem
inteniiven füdlichen Lichte nicht am Platze waren. Die WandHäche behielt
ihre alte Bedeutung im Bauwerke bei und ward, wie bisher, als Bilderteppich
ausgebildet. Während in den nördlicheren Ländern feit der Blütezeit der
Gothik die Wandmalerei nur eine befcheidenc Rolle fpielte und meiit deco- Bcdcuulng
rativ und handwerksmäfsig betrieben wurde, war {ie in Italien die Idlauptfache.
Neben Wand- und Tafelmalerei traten hier aber auch alle anderen Zweige
der malerifchen Technik zurück. Die Miniaturmalerei, die zwar manches
gefällige Prachtwerk lieferte, fowie die Glasmalerei blieben ohne eigentliche
kunflgefchichtliche Bedeutung.
AUCh in der künmßrif-Chfrn Auffaffung unterfchied fich Italien von den Aufrurruug
anderen Ländern. Hier fanden die weiche Anmuth und Sentimentalität, welche "m1 mm"
der ritterlichen Sitte entfprachen, weit weniger eine Stelle," denn das Ritter-
thum mit feinen idealen und phantaftifchen Zügen war Italien fremd. Der
Adel fonderte fich minder fcharf als Stand ab, lebte grofsentheils innerhalb