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Zweites Buch.
Periode.
Dritter
Ab fchnitt.
tifcher Kunftfreunde in Prag 1). In der oberen Abtheilung thront die Madonna
mit dem Kinde, verehrt von Kaifer Karl IV. und feinem Sohne König
Wen zel, hinter denen als Patrone die Heiligen Sigismund und Wenzel ftehen.
In der unteren erfcheinen die Landesheiligen Veit, Ludmilla, Procop und
Adalbert, vor Welchem der Stifter, Erzbifchof Ozko von Wlafchim M364"
1380), kniet. Körperbildung und Gefichtstypen find hier diefelben, aber
Modellirung und Durchbildung der Formen llHd zarter, die Bewegungen bei
aller Befcheidenheit anfprechend, nur die Füfse noch immer plump. Der
nackte Körper des Kindes zeigt bereits Beobachtung; alle weiblichen und
jugendlichen Köpfe haben einen milden, anziehenden Typus, während die
älteren, wie St. Adalbert, voll Charakter iind, und in dem Erzbifchofe fogar
das Streben nach Porträtähnlichkeit zu Tage tritt. Die Farbe iIt klar und
heiter gePcimmt. Nach Wenzels Alter rnüfste diefes Bild etwa der zweiten
Hälfte der {iebziger Jahre angehören.
Mgälüra 31m Merkwürdig ift auch ein in die Ferne verfandtes Erzeugnifs diefer Prager
am Neckar. Schule, der Altar auf der Empore in der Kirche zu Mühlhaufen am Neckar,
darilellend die Heiligen Wenzel, Veit und Sigismund, Chriftus am Kreuze
zwifchen Maria und Johannes, Mariä Verkündigung und Krönung fowie den
knieenden Stifter Reinhard von Mühlhaufen, Bürger zu Prag, und feinen
verftorbenen Bruder Eberhard. Die Infchrift nennt beide Namen und das
Jahr 1385 für Vollendung diefes Altares, der Stifter läfst llCh damals als
Hausbeiitzer in Prager Quellen conftatiren und wird 1400 als verftorben ge-
nannt. Die Wandmalereien der 1380 geflifteten Kapelle 2) fowie der gefchnitzte
und gemalte Hochaltar fmd fchwäbifche Arbeiten, aber jenen zweiten Altar
hatte der Stifter aus feiner neuen Heimat gefendet.
Endlich zeigen auch die Zeichnungen in der Kunflfammlung der Univer-
{ität Erlangen und in der herzoglichen Bibliothek zu Bernburg, die nach der
Auffchrift eines Sammlers aus dem I6. Jahrhundert Arbeiten des oder der
Die Junker flinker von Prag {ind 3), in Verhältniffen, Gewandung, Kopftypus fchlagend
V0" Prag" den Charakter der gleichen Schule.
Die
Schule
VOIl
Köln.
Die Schule von Prag, auf einem Boden, dem künitlerifche Anregungen
von verfchiedenen Seiten her zutheil wurden, hatte charakteriflifche Eigenthüm-
lichkeiten entwickelt, die {ie wefentlich von der Kunfirichtung in den weltlichen
Ländern dieffeits der Alpen unterfcheiden. Ein Zug kirchlicher Strenge und
Feierlichkeit, wie ihn das I4. Jahrhundert fonft verloren hatte, geht in ihr
durch, verbunden mit höfifcher Pracht und Stattlichkeit, die {ich freilich etwas
fchwerfällig äufsern; Schwung und Bewegtheit find in ihr feltener, das Weiche,
Conventionell-Anmuthige der ritterlichen Sitte ebenfo wie der ernfte, fchwäir-
merifche Zug der religiöfen Empfindung, mit einem Worte das, was man als
I) Ungenügende Abbildungen in den Pamaitky archeologichä u. f.
Alterthümer u. Denkwürdigkeiten ßöhmens, I, zu S. 160.
2) Vgl. oben S. 388 und Grüneifelz, Kunftblatt 1840, S. 402 f.
3) Ueher die Junker; Das Buch der Mzmlerzeche, Anm. 371.
I und bei
11117101