396
Zweites Buch.
Periode.
Dritter
Abfchnitt.
deffelben bildete der Schmerzensmann im Grabe zwifchen Engeln und heiligen
Frauen. Der Gekreuzigte 1) fowie die zwei Kirchenvater Ambrofius und
Auguitinus find in der Wiener Galerie, das Uebrige befindet fich noch an
Ort und Stelle. Auf dem Hauptbilde erfcheinen die Geftalten gedrungen,
Chriftus ift im Typus ältlich und derb, mit plumpen Händen und Füfsen, bei
krampfhafter Krümmung der Gelenke. Maria, ganz in einen blauen Mantel
gehüllt, hebt die gefchloffenen Hände aufwärts, Johannes in grünem Mantel
n1it rothem Futter, ein Buch in der Linken, {tützt den Kopf in die rechte
Hand. Der Ausdruck des Schmerzes ift kraftvoll und ergreifend ohne Senti-
mentalität, die Faltenwurfmotive find ruhig, alle Geflalten haben grofse goldene
Nimben, der Grund ift einfach grau.
Noch trefHicher fmd aber die Halbfiguren. Die Köpfe zeigen eine volle,
runde Gefichtsbildung, grofse aber nicht fpitze, fondern klobige Nafe mit
breitem Rücken, auffallend ftarke Backenknochen, grofse ruhige Augen, be-
fonders aber fiark herabgezogene Mundwinkel, die dem Geüchte das Gepräge
des Strengen, faft Schwermüthigen aufdrücken. Die Hände find in der Form
nicht ganz verftanden, aber voll, nicht länglich und geziert nach fpätgothifclier
Manier. Neben dem Grandiofen der männlichen Charaktere berührt die milde
Hoheit der Frauen, etwa der Ludmilla, der Urfula, wohlthuend. Oft ift das
Motiv der Haltung bedeutend, fo bei dem Auguftinus, der die Feder den
Lippen nahe hält, als 0b er eben einen Gedanken in beftimmte Form bringe.
(Fig. 115). Alles Beiwerk, die prächtigen Coftüme, die Schreibepulte, find
forgfaltig behandelt. Die Gewandmotive find voll und rundlich, die Farben
der Gewänder harmonifch, zart gebrochen, zum gemufterten Goldgrunde
glücklich geflimmt. Der Vortrag ift gefchickt, die Fleifchpartien fmd mit
feinen grauen Schatten modellirt, aber ihre Behandlung geht mitunter in das
Verblafene. Darüber enthalten die einfchneidenden Kappen der tiefen Fenfter-
nifchen Wandmalereien von gleichem Charakter, Scenen aus der Kindheits-
gefchichte Chrifti und der Apokalypfe, die in ihrer fchwungvollen Compofition
beweifen, dafs der Meiiter auch bewegte Handlungen darzuftellen verfland.
Am betten läfst das vielleicht die Anbetung der Könige erkennen, auf der
fogar das nackte Chriltuskind glücklich gebildet ift; im übrigen haben die
Wandbilder fehr gelitten..
Ifleillcr In diefem Falle kennen wir nun den Maler: Meifter Dieirzrk (llilzeozluriczzs).
Dwmdh Zwei Jahre nach der Weihe der Kreuzcapelle ertheilte Karl IV. in einer Ur-
kunde vom 29. April 1367 feinem lieben Getreuen, dem Meilter Dietrich,
feinem Maler und Familiaris, Abgabenfreiheit von feinem Hofe im Dorfc
Mortfchin bei Karlftein aus Anlafs feiner kunftvollen, feierlichen Malerei der
königlichen Capelle in Karlfteini). Im Buche der Malerzeche ifl ferner die
Aufnahme des Meifters Dietrich notirt, der feinem Namen zufolge deutfcher
Abkunft war und, da hinter dem Namen keine Heimatsbezeichnung folgt,
wahrfcheinlich aus Prag felbft ftammte.
Die Schule von fcharf ausgefprochener localer Eigelnthümlichkeit, die uns
I) Unter dem falfchen Namen Nicolaus Wurmfer.
2) advertentes artißciosann picturam et solemnem
von Pragu wird er nirgend urkundlich genannt.
regalis
cnpellae in
nostrae
'l'l1eodorich