Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

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Zweites Buch. 
Periode. 
Dritter 
Abfchnitt. 
deffelben bildete der Schmerzensmann im Grabe zwifchen Engeln und heiligen 
Frauen. Der Gekreuzigte 1) fowie die zwei Kirchenvater Ambrofius und 
Auguitinus find in der Wiener Galerie, das Uebrige befindet fich noch an 
Ort und Stelle. Auf dem Hauptbilde erfcheinen die Geftalten gedrungen, 
Chriftus ift im Typus ältlich und derb, mit plumpen Händen und Füfsen, bei 
krampfhafter Krümmung der Gelenke. Maria, ganz in einen blauen Mantel 
gehüllt, hebt die gefchloffenen Hände aufwärts, Johannes in grünem Mantel 
n1it rothem Futter, ein Buch in der Linken, {tützt den Kopf in die rechte 
Hand. Der Ausdruck des Schmerzes ift kraftvoll und ergreifend ohne Senti- 
mentalität, die Faltenwurfmotive find ruhig, alle Geflalten haben grofse goldene 
Nimben, der Grund ift einfach grau. 
Noch trefHicher fmd aber die Halbfiguren. Die Köpfe zeigen eine volle, 
runde Gefichtsbildung, grofse aber nicht fpitze, fondern klobige Nafe mit 
breitem Rücken, auffallend ftarke Backenknochen, grofse ruhige Augen, be- 
fonders aber fiark herabgezogene Mundwinkel, die dem Geüchte das Gepräge 
des Strengen, faft Schwermüthigen aufdrücken. Die Hände find in der Form 
nicht ganz verftanden, aber voll, nicht länglich und geziert nach fpätgothifclier 
Manier. Neben dem Grandiofen der männlichen Charaktere berührt die milde 
Hoheit der Frauen, etwa der Ludmilla, der Urfula, wohlthuend. Oft ift das 
Motiv der Haltung bedeutend, fo bei dem Auguftinus, der die Feder den 
Lippen nahe hält, als 0b er eben einen Gedanken in beftimmte Form bringe. 
(Fig. 115). Alles Beiwerk, die prächtigen Coftüme, die Schreibepulte, find 
forgfaltig behandelt. Die Gewandmotive find voll und rundlich, die Farben 
der Gewänder harmonifch, zart gebrochen, zum gemufterten Goldgrunde 
glücklich geflimmt. Der Vortrag ift gefchickt, die Fleifchpartien fmd mit 
feinen grauen Schatten modellirt, aber ihre Behandlung geht mitunter in das 
 Verblafene. Darüber enthalten die einfchneidenden Kappen der tiefen Fenfter- 
nifchen Wandmalereien von gleichem Charakter, Scenen aus der Kindheits- 
gefchichte Chrifti und der Apokalypfe, die in ihrer fchwungvollen Compofition 
beweifen, dafs der Meiiter auch bewegte Handlungen darzuftellen verfland. 
Am betten läfst das vielleicht die Anbetung der Könige erkennen, auf der 
fogar das nackte Chriltuskind glücklich gebildet ift; im übrigen haben die 
Wandbilder fehr gelitten..  
Ifleillcr In diefem Falle kennen wir nun den Maler: Meifter Dieirzrk (llilzeozluriczzs). 
Dwmdh Zwei Jahre nach der Weihe der Kreuzcapelle ertheilte Karl IV. in einer Ur- 
kunde vom 29. April 1367 feinem lieben Getreuen, dem Meilter Dietrich, 
feinem Maler und Familiaris, Abgabenfreiheit von feinem Hofe im Dorfc 
 Mortfchin bei Karlftein aus Anlafs feiner kunftvollen, feierlichen Malerei der 
königlichen Capelle in Karlfteini). Im Buche der Malerzeche ifl ferner die 
Aufnahme des Meifters Dietrich notirt, der feinem Namen zufolge deutfcher 
Abkunft war und, da hinter dem Namen keine Heimatsbezeichnung folgt, 
wahrfcheinlich aus Prag felbft ftammte. 
Die Schule von fcharf ausgefprochener localer Eigelnthümlichkeit, die uns 
I) Unter dem falfchen Namen Nicolaus Wurmfer. 
2)    advertentes artißciosann picturam et solemnem 
von Pragu wird er nirgend urkundlich genannt. 
regalis 
cnpellae in 
nostrae 
'l'l1eodorich
	        
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