Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

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Zweites 
Buch. 
Periode. 
Dritter 
Abfchnitf. 
deckt worden. Er ift um die Mitte des I4. Jahrhunderts zu fetzen. Das 
Hauptfchiff war in feiner ganzen Ausdehnung bemalt, felbft die Unterfichten 
der Archivolten waren theils ornamental, theils mit Heiligenfigürchen decorirt. 
Die Bilder zerfallen in drei Claffen: Einzelfiguren von Heiligen unter Taber- 
nakeln in den Zwickeln der Arcaden; darüber jederfeits ein langer Streifen 
mit Darftellungen aus der Legende des Patrons St. Arbogaft und aus der 
Kindheitsgefchichte Chrifti, abwechfelnd auf blauem und auf rothem Grunde; 
zuoberft, zwifchen den Fenftern, lebensgrofse Geftalten der Apoftel und gegen- 
über heiliger Frauen und Jungfrauen, alles in derber Ausführung, aber in einem 
Sßhwaben- anmuthigen Stile und mit lebenswahren Zügen  In Schwaben find nament- 
lich die Capelle zu Kentheim, dann die 1380 geftiftete Veitscapelle zu Mühl- 
haufen am Neckar zu erwähnen 2), in Baicrn einige Refte im Dome zu 
Freifing. Diefen Arbeiten entfprechen in ihren Charakter die Wandbilder 
 aus der Georgslegende in einem Gemache des Schloffes Neuhaus in Böhmen, 
"vom Jahre 1338 datirt und, dem künftlerifchen Charakter wie der Sprache der 
Infchriften nach, oberdeutfch  Die Legende felbit geftattete, aus ihrem 
Stoffe eine naive Schilderung ritterlichen Lebens zu machen. Von anderen 
Wandmalereien in Böhmen wird erft fpäter, bei zufammenhangender Behand, 
(leuäähräki lung der Prager Schule, die Rede fein. Im deutfchen Nordoften {tehen die 
Kolberg. Gewölbemalereien in der Marienkirche zu Kolberg als vereinzeltes Beifpiel da. 
Tollesbildßr- Wie die ritterliche Sitte, fo nimmt auch die religiöfe Gefinnung während 
des I4. Jahrhunderts ausfchvveifende Formen an. Ein üppiges und genufs- 
frohes Gefchlecht wurde durch Kriegsnoth, Gewaltthaten, Peft und Hungers- 
noth immer von neuem aus feinem Sinnentaumel aufgefcheucht, glaubte in 
dem Unglück Gottes ftrafende Hand zu erkennen und wurde in eine düftere 
Askefe getrieben. Die Seelenangft fuchte ihr Heil in der Zerknirfchung, die 
religiöfe Inbrunft iteigerte flch in den Gemüthern und fchlug in den wahn- 
witzigen Fanatismus der Geifslerfahrten oder der Tanzwuth um. Die Vorficlltmg 
von der Vergänglichkeit alles Irdifchen und der Eitelkeit aller Dinge über- 
wältigte die Gemüther. Die Schreckniffe des Todes, des ftündlich drohenden, 
unentrinnbaren, wurdeneinLieblingsgegenftand derDichtung und gingen, ähnlich 
wie die Stoffe der Thierfage oder der ritterlichen Epen, von der Poefie in 
die Malerei über. 4). 
Die Perfonification des Todes lebte längft in der Dichtung und in der 
Phantaiie des Volkes. Er erfcheint als ein gewaltiger Dämon, den Gott über 
alles, was da lebt, eingefetzt, als ein König, der gewappnet auszieht und feine 
Schaaren fammelt, als der Schnitter des Feldes, als der Vogt, der vor feinen 
Richterftuhl lädt. Am Schluffe des I4. Jahrhunderts wurde diefe Auffaffung 
noch einmal auf das grofsartigfte in einem deutfchen Profawerke, dem nAcker- 
mann aus Böheimu (1399) niedergelegt. Er tritt hier als Herr auf, der von fich 
I) 18. Jfaluz! Die neu entdeckten Wandgemälde in der Kirche zu Oherwinterthur. Anzeiger für 
fchweizerifche Alterthumskunde. 
2) Grüneifen im Kunfcblatt 1840, Nr. 96 IT. 
3) Herausgegeben von Ware! in den Denkfchriften der kaiferl. Akademie der Wiffeilfchaften, 
Wien, X, 1859; auch feparat. 
4) PV. Wackemagel; Der T entanz. Kl. Schriften I. 302. Fmnris Dnure: The dance of death, 
London 1833. E. H. Laugloistüai hist, phil. et piitoresquc sur les danses nles1n0rls,R0ucn 1852. 
Oherwintertlmux 
Anzeiger
	        
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