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Zweites Buch.
Periode.
Erüer Abfchnitt.
Sündenfall und ein paar auf Gefetz und Erlöfung bezügliche Scenen anfchliefsen.
Die gröfseren Initialen, im Körper meift blau und aus Thiergeftalten zufammen-
gefetzt, enthalten ebenfalls kleine Bilder, auf dem erften Blatte beifpielsweife
die Erneuerung der Wiener Univerfität durch den Erzherzog, während diefes
Thema in den unteren Medaillons feine Fortfetzung findet. Durch Selbftändig-
keit und Lebendigkeit in der Auffaffung des biblifchen Vorwurfs zeichnet {ich
ein Abendmahl im U auf Blatt 57 aus. Die Compofition ift gedrängt, aber
jeder Zug ausdrucksvoll, aus Chriftus fpricht leife Wehmuth; die Apoftel,
redend oder effend, einer vorn fein Meffer am Tifchtuche abwifchend, find voll
unmittelbaren Lebens. Wo die Erzherzoge vorkommen, mit der Gemahlin
betend am Altar, in Stahlrüftung zu Pferde oder im Todtenhemde aufgerichtet
im Sarge, erfcheinen fie immer individuell, und die geiftvolle Behandlung der
Köpfchen in ganz kleinem Mafsftabe und mit feinem Impafto im Fleifche ift
ebenfo bewundernswerth wie die vollendete Durchführung des Beiwerkes und
der prächtigen Coftüme.
e Solche künfllerifche Vollendung kommt in Deutfchland freilich nur ver-
" einzelt vor. Das Durchfchnittsmafs der damaligen Arbeiten, wie es etwa die
gereimte Weltchronik des Rudolf von Hohenems in Stuttgart 1) vertritt,
1383 vollendet und der Mundart zufolge niederrheinifch, ift ein weit geringeres.
Die Erzählung pflegt ausführlich, die Darftellung recht lebendig zu fein, aber
die Stellungen fmd unficher, die bewegten Situationen lahm, die nackten
Theile dürftig, die Geiichter grämlich; der Vortrag ifl kräftig modellirend bei
ftark aufgefetzten Lichtern, doch ohne Reiz. Der grofse Auffchwung der
Tafelmalerei am Niederrhein findet erft fpäter in der Miniaturmalerei feinen
Nachklang, wie in dem für Herzogin Maria von Geldern gefchriebenen
niederdeutfchen Gebetbuche in der Berliner Bibliothek, das 1415 durch Bruder
Helmiclz zu Marienborn bei Arnheim beendigt wurde. Die Randverzierungen
(ind einförmig, aber die kleinen biblifchen Darftellungen, bei kurzen Proportio-
nen, grofsen Köpfen, unruhigem Gefält und gemuiterten Gründen, entwickeln
fich höchft lebendig und find keck behandelt.
Oeffentliche Bibliothek, Bib].