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Zweites Buch.
Periode.
Erfler Abfchnitt.
Oranfe von Wolfram von Efchenbach, 1387 als Gefchenk für den Kaifer
gefchrieben 1). Die beiden letzten Werke wurden bei ihrem Ueberreichthum
nicht vollendet. Mitunter enthalten diefe Bücher einzelne gröfsere Darftellungen
von forgfamer Ausführung, fo die Goldene Bulle gegen Ende die klagende ltalia
im goldenen Gewande und mit entblöfster Bruft vor dem Richter, der, Bein
über Bein, im Scharlachmantel dafitzt; die Bibel den-thronenden Kaifer mit feiner
Gefährtin in einer Initiale (Fol. 2), dann eine Erfchaffung der Eva (F01. 4) mit
anmuthigem Ausdruck und feiner Modellirung der grün untertufchten nackten
Geiialten. Die Farbenluft und die feine Zufammenftellung gebrochener Töne
flnd in folchen Bildern erfreulich. Im Ganzen macht fich aber in der Fülle
der erzählenden Darftellungen eine gröbere provincielle Richtung geltend;
{ie {ind anfchaulich aber unverftanden, in den Extremitäten grob und ge-
fühllos. Ueber der Landfchaft ift der Grund noch golden oder gemuftert.
Während damals die franzöflfche Schule immer Weiter fortfchritt, gerieth alfo
der grofsartige Prager Kunftauffchwung bereits in Stocken, und in den hier
entftandenen Werken macht {ich die Verwilderung geltend, die mit Wenzels
Regierung über Böhmen hereinbrach.
Nur in Einer Beziehung ftehen diefe Arbeiten noch auf der früheren
Höhe: in der Ornamentik und den reichen Randverzierungen, in denen {ich
die alte Pracht mit keckem Schwunge und breiter Behandlung verbindet.
Unter dem farbigen Blattwerke gröfseren Mafsftabes finden in allen diefen
Dröleries. Werken Dröleries höchft eigenthümlicher Art, geiftvoll behandelt, den gröfseren
Bildern oft überlegen, meift mit directem Bezug auf den königlichen Eigen-
thümer des Buches, ihren Platz (Fig. 109). Manchmal {itzt der Kaifer, modifch
gekleidet, in feiner Initiale W, oder auch in einem E, das fich auf eine andere
Perfon bezieht, mit der er oft in Verbindung vorkommt, ein Bademädchen,
in blofsem Hemde, baarfufs, mit dem Kübel. Oefter {itzt Wenzel im Bade,
von mehreren Bademädchen bedient. Mitunter erfcheint das Mädchen auch
ganz nackt oder nur mit durchfichtigem Schleier. Wilde Männer, ein Vogel
auf einer Bandfchleife als Wenzels Emblem, Badequaft, Kübel kommen
überall vor. Die ausgelaffene Sinnlichkeit, die in diefen Darftellungen waltet,
entfpricht der Natur des Kaifers; fchalkhafte Einfälle aller Art in ernften, ja
in religiöfen Büchern anzubringen, War man längit gewohnt, aber die Harm-
lofigkeit, mit welcher das {innliche Leben, das Kaifer Wenzel wohlgefiel, {ich
hier fogar auf den Rändern der Bibel ausbreitet, geht über alles eMafs.
Amme des Am Schluffe der Epoche {teht das Miffale des Erzbifchofs von Prag
Siiiiägbiilräi SbiIICO Hilfen Von Hafßnburg, 1409 von Laurzäzus von Glatizzu beendigti).
Wim An die Initialen, die biblifche Motive enthalten, fchliefsen fich reizende kalli-
graphifche Schnörkel, Blattwerk und Vögelchen. In einem gröfseren Bilde,
der frgurenreichen Kreuzigung (fol. 149 verso), offenbart {ich eine edle Selb-
ftändigkeit der Auffaffung, der Ausdruck des Johannes und der Frauen ift von
feelenvoller Schönheit. Die Geftalten {ind fehr fchlank aber gut bewegt, die
Farben von grofser Leuchtkraft und Tiefe. Diefes Bild kommt den beften
franzöfifchen Arbeiten nahe, während die übrigen Darftellungen, von anderer
I) Ambrafer Sammlung Nr.
2) Wien, Hofbibliothek Nr.
75-
1844.