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Zweites Buch.
Periode.
Erfter Abfchnitt.
Dröleries nach franzöfifcher Art am Rande vor, aber die Behandlung ift ziem-
lich derb; Zeichnung und Formengebung find fpätgothifch, die Technik ift
eine wäfferige Gouachemalerei bei Vorzeichnung mit der Feder. Ziemlich gleich-
zeitig kommen dann aber eine forgfältige, ganz mit dem Pinfel durchgeführte
Malerei in Deckfarben und ein vollendeter Gefchmack in der Ornamentik auf.
Liäj: ääti- Das fchönfie Denkmal diefer neuen Richtung ifl das Reifebrevier (liber
1131211313331 viaticus) des kaiferlichen Kanzlers Johann von Neu m arkt, Bifchofs von Leito-
mifchl, im Böhmifchen Mufeum zu Prag. Der Titel eines Bifchofs von Leito-
mifchl, der auf jedem Blatte wiederholt ift, kam dem Kanzler in den Jahren
1353-1364 zu. Die wenigen reicher verzierten und mit figürlichen Darftellungen
gefchmückten Seiten enthalten ftets ein biblifches Bild in einer gröfseren Ini-
tiale, fo auf dem erften Blatte diefer Art den thronenden Chriftus mit Engeln und
unter ihm König David. Statt blofsen Dornblattmuiters entwickelt {ich aber am
Rande Pflanzen- und Blumenornament gröfseren Mafsftabes in farbiger Pracht;
an den Stengeln, von denen es ausgeht, gleiten Engelfiguren auf und nieder,
phantaflifche Thiere tauchen dazwifchen auf, aus Blumenkelchen ragen alt-
teftamentarifche Halbfiguren hervor, und am unteren Rande fleht man geift-
reiche kleine Scenen, theils Dröleries, theils biblifchen Inhaltes, unter ihnen auch
mehrmals den knieenden Bifchof mit feinem Wappen. Die Farbe ift reich und
blühend, im Vortrage fanft vertrieben, zart im Fleifchtone, der aber röthlicher
als in der franzöfifchen Schule ift; die Anwendung von ungebrochenem Zin-
nober und {trahlendem Blau kommt auch hier vor, aber eine Fülle anderer
Töne, Purpur, Violett, fattes Grün, ift fein dazu geftimmt; die Gefammtwirkung
ift klar und freudig.
Mariale des Auf gleicher Kunftitufe fteht ein zweiter Codex des Böhmifchen Mufeums,
Ameaus" das Mariale des Arneflus von Pardubitz, erften Erzbifchofs von Prag
(1344-4364), das zwei gröfsere Bilder, die Darflellung im Tempel und die
Verkündigung Marias (Fig. 108), enthält 1). Haltung und Geberden fmd von
grofser Zartheit, trotz der Schwäche in Händen und Füfsen. Die männlichen
Köpfe [ind meift derber und erinnern bei plumper Nafe und {itärkerer Aus-
ladung der Wangen an jenen Typus, den wir in den Tafelbildcrn der Prager
Schule wiederfinden werden. Die jugendlichen und weiblichen Köpfe erfreuen
durch ihre Lieblichkeit bei feinem Schnitte der Augen, der faft an gleichzeitige
Italiener erinnert. Der Hintergrund ift blau, und in den forgfältig durchge-
führten Architekturen wird perfpectivifche Darflellung verfucht, die freilich
nicht recht gelingt.
Qrationale Treffliche Leiftungen derfelben Schule lind das Orationale des Arneftus
Amiäslm im Böhmifchen Mufeum mit figürlichen Darftellungen in den Initialen, unter
denen der knieende Bifchof (F01. I04) fchon individuelles Gepräge hat, und mit
überwiegenden Dornblattverzierungen an den Rändern, das Pontificale des
dfsilllflääcitäv vierten Bifchofs von Leitomikfchl, Albert von Sternberg, 1376 durch einen
stembergÄSchreiber Hodico angefertigt, in der Bibliothek des Praemonflratenferfliftes
mgkäevgäsStrahow in Prag, das Miffale des Ozko von Wlafchim, 1364-1380 Erz-
Wlafchim.
tfchechi-
einen
Schriftbande
I) Der Fälfcher Hanka hatte hier, wie im liber viaticus, auf dem
fchen Illuminatornamen (einer Eründung (Sllisro de Trotirza) angebracht.