Das fpäte Mitte] alter.
Miniatxlrmalerei.
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dem Pinfel fchattirt und mit weifsen Lichtern bei gefchickter Auffaffung des
Landfchaftlichen und breiter Behandlung, aus dem Anfange des I5. Jahrhunderts.
Die Skizzen {tehen an der Grenze diefer Epoche und leiten bereits zum ausge-
fprochenen Realismus der nächflfolgenden über.
Die englifche Schule ift auch jetzt ganz von der franzöfifchen beein- England-
flufst, wofür das Salisbury-Buch, Fragment eines Lectionariums im British 5111252112111
Mufeum, ein bezeichnendes Beifpiel gewährt, ausgeführt für John Lord Lovell Lßndvh-
of Tichmeish, der es dann in {einem Teftamente vom Iahre 1408 der Kathe-
drale von Salisbury vermachte. Auf dem vorderen Dedicationsbilde über-
reicht der Verfertiger, Bruder Yolm Sfrewezs, dem Lord das Buch; beide
ünd fchon individuell charakteriürt1). Dann folgen zahlreiche religiöfe Dar-
Prellungen, grofsentheils in den Initialen. Die Ränder find von Dornblattmufier,
Blümchen, Wappen und gröfseren fchwebenden Engeln belebt.
Deutfchland
feit
Mitte
des
I4. Jahrhunderts.
Allmählich hatte nun eine entfprechende Ausbildung auch in andern Schulen
begonnen. In Deutfchland entflanden während der zweiten Hälfte des I4. Jahr-
hunderts Leiitungen, die über die dilettantifchen und fabrikmäfsigen Erzeug-
niffe der früheren Periode weit hinausgehen. Vorzugsweife ift auch hier, wie
in Frankreich, eine Schule, die ihren Sitz am Hofe hatte, entwickelt, die
Schule von Prag feit Karls IV. Zeit. Zum erftenmal hatte Deutfchland in sugie von
den Territorien des Luxemburger Haufes jetzt eine grofse Refidenzfladt, die, m;
inmitten eines flavifchen Landes gelegen, felbfi überwiegend deutfch war, wie
das Bürgerthum in Böhmen überhaupt, Aber feit Karl IV. entwickelte fich hier
nicht nur die überlieferte Kunft deutfcher Richtung weiter, fondern es fanden
auch Einwirkungen andrer Art fiatt. Den Abfichten des Kaifers zufolge follte
die Kunft und Bildung von ganz Europa feiner Refidenz zuflatten kommen.
Seine Erziehung hatte er am franzöfifchen Hofe genoffen; die Gemahlin
Karls IV. von Frankreich war die Schwefter feines Vaters, des Königs
Johann von Böhmen; er felbft heirathete in erfter Ehe die Schwefier
Philipps VI., Blanche von Valois. Die franzöfifchen Jugendeindrücke
brachte er nach feinem Lande mit, und auch in der Folge blieben feine Be-
Ziehungen zum franzöfifchen Hofe beftehen.
Dennoch kann nur in bedingter Weife von franzöfifcher Einwirkung auf
die Miniaturmalerei in Böhmen die Rede fein. Sie fand allerdings dadurch
fiatt, dafs fchöne franzöflfche Handfchriften, die damals in das Land gekommen
waren, als Vorbilder dienten. Gleichzeitig war man indeffen auch mit italie-
nifchen Muftern vertraut. Aber die eigentliche Entwicklung der neuen Prager
Schule ifi von der franzöfifchen Entwicklung nicht geradezu abhängig, fondern
geht nur ihr analog von Ratten und ift auch eine ziemlich gleichzeitige.
Die Bibliothek des Kreuzherrnklofiers in Prag befitzt ein von Bruder ärevielr der
Leo, Grofsmeifter diefes Ordens, nach Infchrift im Jahre 1351 geftiftetes reuzmm
Brevier, das noch die Nachwirkung der früheren Epoche zeigt. Der Grund
der paar Bilder ift meifi blau mit goldenen Sternen, manchmal kommen
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Taf.
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