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Zweites Buch.
Periode.
Erfter Abfchnilt.
auf dem Dedicationsbilde einer der hierin enthaltenen Schriften (f. 226) ge-
meint zu fein. Es ift die Parifer Handfchrift des Buches von den Wundern
der Welt 1), enthaltend die Reifebefchreibungen von Marco Polo, Guillaume
de Mandeville, Hayton und Anderen. Da war Gelegenheit für Schilde-
rungen aus dem Leben; verfchiedene Momente der Reifen wurden dargcftellt,
nicht nur Neger, Elephanten fondern auch die Fabelmenfchen, welche die
Sage fremden Welttheilen zufchreibt, Skiopoden, Cyklopen, bärtige Frauen,
Männer mit Hundeköpfen, Schweine mit Menfchenköpfen als Hausthiere,
Drachen, Ungethüme kommen vor. Der grofse Kan wird mit feinem Hofftaate
bei Tafel dargeftellt. Bei der Befchreibung des heiligen Landes finden aber
auch biblifche Darftellungen, wie Chriftus am Kreuze, Platz. Die künftlerifche
Bedeutung ift nicht erheblich, die Figuren ftehen fchwach auf den Beinen, die
Farbe ift munter, aber ohne Kraft, doch in den Hintergründen hat das Land-
fchaftliche fcihon vollkommen Oberhand gewonnen.
Ein Buch wie diefes fteht fchon den flandrifchen Arbeiten des I5. jahr-
hunderts nahe. Andere Werke, die es an zarter Vollendung und fogar in
der Auffaffung der Geflalten übertreffen, folgen doch noch mehr der älteren
franzöfifchen Tradition in den Hintergründen, den Ornamenten, der Verthei-
Hßeigäggäfräilung der Farben, fo die für den Herzog von Berri felbit ausgeführten
Lläääräi Bücher. Die zweibändige Bibel im British Mufeum (Harleian 4831), noch zu
den früheren gehörig, enthält neben zahlreichen erzählenden Bildern ein un-
gewöhnlich prächtiges Titelblatt, das den Inbegriff aller weltlichen und geift-
lichen Wiffenfchaft verkörpert; da erfcheinen die fieben freien Künlte und
die Philofophen des Alterthums, die fie vertreten, oben die drei theologifchen
Tugenden, die Dreifaltigkeit und zahlreiche Heilige. Noch fchöner find mehrere
Lefgreltsftes Andachtsbücher in Paris, zunächft des Herzogs kleinerer Pfalter 2), in welchem
heures. man den Pfalter wiedererkennen will, der unter Nr. 1049 im Verzeichnifs feiner
Bibliothek (zwifchen I4OI und 1403) vorkommt, mit der Bemerkung: il a
plusieurs histoires au commencement de la main de maitre Andre Beaunepveum
Das würde auf die Darftellung der zwölf Propheten und zwölf Apoftel gehen,
die frch am Anfange zu Paaren gegenüberlitzenil). Alle Gewänder fmd ftein-
farben, fonft aber iPc der Vortrag rein malerifch und ftark impaftirend, die Ge-
üchter fmd mit vollendeter Feinheit durchgeführt, im Ausdruck von empfin-
dungsvoller Milde, die zwar oft zu weich bleibt, aber der Neigung zu fanfter
Innigkeit, wie fie durch die ganze Zeit geht, entfpricht. Die Hände lind mit-
unter fchwach, die Füfse unter den Gewändern verborgen, fonft aber die
Körper nicht tmverfianden im Bau. Der Faltenwurf ift gothifch fchwungvoll,
aber ohne Uebertreibung. Auch die Architektur der fpätgothifchen fteinernen
Throne ift forgfältig durchgeführt, die Gründe find in einem Teppichmufter mit
Gold und Farbe gehalten. Die paar Vignetten, die weiterhin im Texte folgen,
geben die für-einige Hauptpfalmen längft gebräuchlichen Motive: David kniet
mit der Harfe in einer Rundbogencapelle vor Jehova (Beatus vir qui non abiit);
I) Le livre des merveilles du monde. Paris. bibl. nat. frangais 2810 4
2) Les petites heures de Jean de Berri; Bibl. nat. frangais 13091.
3) F01. 7 verso bis 30 recto Ein Holzfchnitt bei Larrazlr: Les arts
de 1a. renaissance, Paris 1869, Fig. 330.
H. N. lümzplzrey: Taf. XV.
au moyen äge et ä Päpoque