356
Zweites Buch.
Periode.
Erfier
Abfßhllitt.
letztere farbige, breite Schattirung mit dem Pinfel fowie gelegentlich aufge-
fetztes Gold und auch Silber.
Wilgrreärrüifeiwon Entwickelterer franzöflfcher Stil tritt in dem Wilhelm von Oranfe zu
carreif Caffel 1) auf, 1334 für Landgraf Heinrich von Heffen gefchrieben. Die
Umriffe find forgfältig colorirt, die Schatten in einem dunkleren Tone der
Localfarbe angegeben, die Gründe golden oder gemuftert; die Gewänder haben
gothifchen Schwung, das Zeitcoftüm ift verftändnifsvoll wiedergegeben. Die
Pferde lind roh, die Bewegungen bei allem Streben nach Lebendigkeit unge-
fchickt, aber ruhigere Situationen oft zart empfunden und anmuthig. Von
Blatt 30 fängt eine geringere Hand an.
nimm Unter den Handfchriften der Biblia pauperumz) den Seitenftücken zu
paupenm den franzöfifchen Bibles hiftoriees, iPt die im Stifte St. Florian in Oefter-
reich für die erfte Hälfte des I4. Jahrhunderts charakteriftifch 3); 34 Darftellun-
gen, die von der Verkündigung bis zum Tode Marias reichen, enthalten in einem
mittleren Runde das Bild aus dem Evangelium, diefem zunächft die Halb-
figuren von vier Propheten und Autoren des Alten Teilamentes, feitwärts zwei
altteftamentarifche Vorbilder der Hauptdarliellung. In jenen ift die ftrenge
Gegenüberftellung von Ereigniffen ante legem und sub lege, wie fie fchon
der Emailaltar des Nzkolmrs zum Verdun in Klofterneuburg aus dem Jahre 1181
enthält, und wie fie fpäter in der gedruckten Biblia pauperum des I5. Jahr-
hunderts wiederkehrt, nicht durchgeführt. Das vSpeculum humanae salva-
tionisu in der Stiftsbibliothek zu Kremsmünfter, die nSumma caritatisu in Stifte
Lilienfeld, unter Abt Ulrich (1345-1351) entflanden, unterfcheiden fich von
der erwähnten Handfchrift fchon durch die willkürliche Aufftellung neuer
Typen und die Gezwungenheit der Erklärung im Sinne fpäterer Scholaftik.
Bildäerbibel Eine Bilderbibel anderer Art ift die in Böhmen entftandene, in ihrem
vcuiiiius, früheren Theile noch dem Schluffe des 13. Jahrhunderts angehörige in der
Prag" Bibliothek des Fürften Lobkowitz in Prag. In flüchtiger, zeichnender Behand-
lung mit gelegentlicher leichter Colorirung werden hier die Gefchichten des
Alten Teftamentes von der Schöpfung an erzählt. Perfonilicationen nach
altem Brauche kommen auch hier vor. Die Architektur ift noch wefentlich
romanifch bis auf einzelne gothifche Motive an Baldachinen. Dann folgen die
Wunder und das Leiden Chrifti, apokalyptifche Darflellungen, Martyrien und
zuletzt eine fpäter hinzugefügte, ausführliche Erzählung der Wenzelslegende in
Bildern. Der junge Menfch, Vellzlvlazzs, der gegen Ende vor der heiligen
Katharina kniet, ifl offenbar der Stifter, nicht, wie man früher ohne Grund an-
nahm, der Maler 4).
Paffionale Böhmen, damals ein blühendes, ganz von deutfcher Cultur durchdrungenes
Kimigfihde, Land, hat ferner eine der bellen Bilderhandfchriften deutfcher Schule aus dem
Pmg Anfange des I4. Jahrhunderts hervorgebracht, das im Jahre 1312 gefchriebene
1) BibhMSS. poet. et rom. fol. I. Probe bei Kugler, K1. Sehr. I, 53.
2) G. Heider: Beiträge zur chriftlichen Typologie; Jahrbuch der k. k. Centralconimiffion V,
Wien 1861, S. 1-128, Taf. I-VIII.
3) Die Darßellungen der Biblia pauperum in einer Handfchrift des I4. Jahrhunderts, im Stifte
St. Florian im Erzherzogthume Oeßerreich ob der Enns, herausgegeben von A. Canzqßna, erläutert
von G. Heiden Wien 1863.
4) Abbildungen herausgegeben von Wocel: Wellislaw's Bilderbibel, Prag 1871. 40.