Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

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Zweites Buch. 
Periode. 
Erfier 
Abfßhllitt. 
letztere farbige, breite Schattirung mit dem Pinfel fowie gelegentlich aufge- 
fetztes Gold und auch Silber. 
Wilgrreärrüifeiwon Entwickelterer franzöflfcher Stil tritt in dem Wilhelm von Oranfe zu 
carreif Caffel 1) auf, 1334 für Landgraf Heinrich von Heffen gefchrieben. Die 
Umriffe find forgfältig colorirt, die Schatten in einem dunkleren Tone der 
Localfarbe angegeben, die Gründe golden oder gemuftert; die Gewänder haben 
gothifchen Schwung, das Zeitcoftüm ift verftändnifsvoll wiedergegeben. Die 
Pferde lind roh, die Bewegungen bei allem Streben nach Lebendigkeit unge- 
fchickt, aber ruhigere Situationen oft zart empfunden und anmuthig. Von 
Blatt 30 fängt eine geringere Hand an. 
nimm Unter den Handfchriften der Biblia pauperumz) den Seitenftücken zu 
paupenm den franzöfifchen Bibles hiftoriees, iPt die im Stifte St. Florian in Oefter- 
reich für die erfte Hälfte des I4. Jahrhunderts charakteriftifch 3); 34 Darftellun- 
gen, die von der Verkündigung bis zum Tode Marias reichen, enthalten in einem 
mittleren Runde das Bild aus dem Evangelium, diefem zunächft die Halb- 
figuren von vier Propheten und Autoren des Alten Teilamentes, feitwärts zwei 
altteftamentarifche Vorbilder der Hauptdarliellung. In jenen ift die ftrenge 
Gegenüberftellung von Ereigniffen ante legem und sub lege, wie fie fchon 
der Emailaltar des Nzkolmrs zum Verdun in Klofterneuburg aus dem Jahre 1181 
enthält, und wie fie fpäter in der gedruckten Biblia pauperum des I5. Jahr- 
hunderts wiederkehrt, nicht durchgeführt. Das vSpeculum humanae salva- 
tionisu in der Stiftsbibliothek zu Kremsmünfter, die nSumma caritatisu in Stifte 
Lilienfeld, unter Abt Ulrich (1345-1351) entflanden, unterfcheiden fich von 
der erwähnten Handfchrift fchon durch die willkürliche Aufftellung neuer 
Typen und die Gezwungenheit der Erklärung im Sinne fpäterer Scholaftik. 
Bildäerbibel Eine Bilderbibel anderer Art ift die in Böhmen entftandene, in ihrem 
vcuiiiius, früheren Theile noch dem Schluffe des 13. Jahrhunderts angehörige in der 
Prag" Bibliothek des Fürften Lobkowitz in Prag. In flüchtiger, zeichnender Behand- 
lung mit gelegentlicher leichter Colorirung werden hier die Gefchichten des 
Alten Teftamentes von der Schöpfung an erzählt. Perfonilicationen nach 
altem Brauche kommen auch hier vor. Die Architektur ift noch wefentlich 
romanifch bis auf einzelne gothifche Motive an Baldachinen. Dann folgen die 
Wunder und das Leiden Chrifti, apokalyptifche Darflellungen, Martyrien und 
zuletzt eine fpäter hinzugefügte, ausführliche Erzählung der Wenzelslegende in 
Bildern. Der junge Menfch, Vellzlvlazzs, der gegen Ende vor der heiligen 
Katharina kniet, ifl offenbar der Stifter, nicht, wie man früher ohne Grund an- 
nahm, der Maler 4). 
Paffionale Böhmen, damals ein blühendes, ganz von deutfcher Cultur durchdrungenes 
Kimigfihde, Land, hat ferner eine der bellen Bilderhandfchriften deutfcher Schule aus dem 
Pmg Anfange des I4. Jahrhunderts hervorgebracht, das im Jahre 1312 gefchriebene 
1) BibhMSS. poet. et rom. fol. I.  Probe bei Kugler, K1. Sehr. I, 53. 
2) G. Heider: Beiträge zur chriftlichen Typologie; Jahrbuch der k. k. Centralconimiffion V, 
Wien 1861, S. 1-128, Taf. I-VIII. 
3) Die Darßellungen der Biblia pauperum in einer Handfchrift des I4. Jahrhunderts, im Stifte 
St. Florian im Erzherzogthume Oeßerreich ob der Enns, herausgegeben von A. Canzqßna, erläutert 
von G. Heiden Wien 1863.  
4) Abbildungen herausgegeben von Wocel: Wellislaw's Bilderbibel, Prag 1871. 40.
	        
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